Passivismus & Pop-Globalisierung

Ich bin mir ja nach wie vor nicht ganz sicher, wie ihn einschätzen soll: Henryk M. Broder. Früher stand ich ihm ablehnend gegenüber. Zu Gast auf einer von mir mitorganisierten studententischen Konferenz, hat er meine Einschätzung jedoch massigen können: Weil er sehr schnell entlarvte, wie viel "Schizophrenie" (mein Zitat, nicht seines) hinter den vielen vermeintlich guten Ansätzen zur Problemlösung steckt: Immer sind es die anderen, die ermahnt werden müssen, immer sind es insbesondere die Vereinigten Staaten, die das Ur-Böse darstellen, während wir nur moderates Abbild, kleineres Übel sind - auch dies nur, weil der Marshall-Plan die Amerikanisierung zwangsläufig mit sich brachte. Der Kern aller Entwicklungen war, ist und bleibt in den USA zu suchen.

Vieles von dem, was er uns Jungspunden nahegelegt hat, war daher keine weise Neuerkenntnis: Fang mit der Kritik an Dir selbst an. Wie trägst Du zu den Umständen bei, die Du verändert sehen möchtest?

Genau das ist ja der Ansatz von Projekten wie "Deine Stimme gegen Armut"; den Afrikabesuchen von George Clooney; den Kinderadoptionen von Madonna, Ms. Jolie und Herrn Pitt; Aktion Mensch und den Workcamps der Kolping-Werke.

"Ihre Hilfe trägt Früchte", versichert "Brot für die Welt" auf Werbeplakaten, als ob Empathie und Nächstenliebe plötzlich durch Investitionssicherheit motivert und gedeckt werden müssen. Die "Aktion Mensch" unterstreicht's:

"Das 5 Sterne-Los ist da!

Der 1. Stern steht für Ihr soziales Engagement
4 weitere Sterne stehen für Ihre Wünsche: Geld-
gewinne, Traumhäuser,
Haushaltsgeld, Rente!"


Eine potentielle Rendite von wieviel? Und bald gibt's Afrika-Aktien. Warum muss all diese Hilfe versickern in den Strukturen der Hilfskampagnen, die in Europa aufrechterhalten werden? Man informiert sich halb(herzig) - und delegiert. Ins politische Bewusstsein, in den alltäglichen Dialog, ins alltägliche "Gemeinsein" mit anderen, dringt wenig von dem vor, in welchem Maß in Afrika tatsächlich Tode gestorben werden. Guten Gewissens kann man sich zurücklehnen und beruhigt von sich behaupten, man "tue ja was". "Passivisten" hat meine Mitbewohnerin diese vermeitnlich Aktivisten neulich benannt, und damit einmal mehr das Kartenhaus der alltäglicher Verblendung und Einbildung zum Einsturz gebracht. Und das bringt mich zurück auf Herrn Broder: Danke Ihnen für die Erinnerung: "Man muss das Kind beim Namen nennen." Verantwortung für die Zukunft tragen hierzulande nur Wenige.

Broders eigene Worte dazu unter http://www.radioeins.de/meta/_programm/8/20070504_freitagskomm.ram

mspro hat gesagt… said:

8. September 2007 um 14:56  

Es gibt viel, was man an verschiedenen Versuchen der Weltrettung kritisieren kann und auch muss. Aber bei Broder ist das leider zum Reflex geworden. Zum reinen Hassreflex. Alles, was nur auf 100 Kilometer nach "Links" riecht wird von im pauschal abqualifiziert.

Er ist sich dabei nicht zu schade längst wiederlegte Stammtischgeschichten immer wieder auszupacken und verbündet sich zuweilen mit ausgewiesenen Rassisten und argumentiert zuweilen selber rassitisch.

Seine Kritik, und die seiner Neokonservativen Freunde kann ich leider meistens nicht ernst nehmen. Was schade ist. Denn schreiben kann er.

Anonym hat gesagt… said:

13. September 2007 um 18:58  

Broder [...] argumentiert zuweilen selber rassitisch.

Das Weblog 'Politically Incorrect' muss man nicht mögen, für Broders angeblichen Rassismus hätte ich aber gerne einen Verweis. Wie wär's?