Heimatumzug

Der Gedanke, diesen Blog an anderer Stelle fortzusetzen, hat sich schon länger in meinem Kopf festgesetzt. Die "graphische Unruhe" der vergangenen Wochen, das unregelmäßige und irgendwie doch unschlüssige Herumbasteln an Layout-Vorlagen, hat darauf hingedeutet. Nicht, dass ich grundsätzlich am derzeitgen "Konzept" zweifele. Der ausschlaggebende Grund ist schlicht und ergreifend ...

Gemeinwohl

Ein kleiner, aber feiner Verweis: Über das gemeine Wohl und das, was man darunter (noch) verstehen kann, kann man derzeit vorzüglich mit und bei metepsilonema diskutieren.

Radikalität, quantitativ gefasst

Ich erinnere mich an vage an eine alte Formel, die vorgibt, der Lehrer habe in eine Unterrichtsstunde grundsätzlich niemals mehr als 10% neue Inhalte einzuführen. Mit einer größeren Menge unbekannten Lernstoffs drohe man die Schüler zu überfordern und ihr Verständnis der Materie zu gefährden: Sie könnten an das bisher Gelernte nicht anknüpfen.

Obwohl inzwischen sicherlich überholt, interessiert mich der Versuch, den Verlauf zwischen Bekanntem und Unbekanntem zu erfassen, in Bezug auf eine ältere Frage nach Radikalität und Angst: Mir scheint mit der Forderung nach Anknüpfbarkeit die eigentliche Grenze zwischen Denkbarem und Radikalem, zwischen machbarer Alternative und abruptem Umschwung, ausgewiesen. Zum gefürchteten "Bruch mit dem heute" kommt es dann, wenn Veränderungen institutionalisiert werden, die nicht gewachsen, nicht verwurzelt sind; die nicht mehr neuen, sondern grundsätzlich keinen Sinn mehr machen. Das Radikale fordert daher unhinterfragten Gehorsam - und muss sich daher umso mehr auf charismatische Persönlichkeit stützen.

Verkannte Identität

Orientierungshilfe in Fragen der Identitätsstiftung gibt derzeit, man hört und liest viel darüber, Saarlands Ministerpräsident Peter Müller. Sein „sonstiger Antrag C16“ versteht sich als „Bekenntnis zur deutschen Sprache“, dem die CDU in naher Zukunft Verfassungsrang geben möchte: Artikel 22 des Grundgesetzes soll um die Mahnung „Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch.“ ergänzt werden.

Wenn ich ehrlich bin: Ich finde das zu verkürzt. Ebenfalls im Grundgesetz aufgehoben werden sollte nämlich unbedingt Müllers Aufklärung, was dieses „Deutsch[e]“ in seinem eigentlichen Kern ausmacht: „Deutsch ist Deutsch sprechen und deutsche Identität.“

Deutsch (sein) lässt sich also auf zweierlei Tatsachen zurückführen. Erstens: Ich spreche Deutsch. Na jut, aba welches'n? Dit Standarddeutsch? Oda dit Jemeindeutsch? Oder dit Bundesdeutsche Deutsch, dit man synonym ooch als „Binnendeutsch, BRD-Deutsch, deutsch(ländisch)es Deutsch, Deutschländisch oder bisweilen Deutschlanddeutsch“, kurz auch gern: „Bundesdeutsch“ bezeichnen darf?

Kein Grund zur Verwirrung, es bleibt schließlich die beruhigende Qualifikation, dass „Deutsch [...] deutsche Identität ist“. Im Klartext: Deutsch sein ist also deutsch; und Deutsche sind deshalb deutsch, weil sie Deutsche sind. Und sich mit Deutschland identifizieren. Weil sie ja Deutsch sprechen. Oder so.

Wie lauten da noch die Sorgen um das Bildungsniveau „deutscher“ Schulen?

Chiasmus, politisch

mspro mal wieder in Höchstform:

Den berühmten Satz von Benedetto Croce:
"Wer vor seinem dreißigsten Lebensjahr niemals Sozialist war, hat kein Herz. Wer nach seinem dreißigsten Lebensjahr noch Sozialist ist, hat keinen Verstand."
halte ich für falsch.
Denn:
Es geht nicht notwendigenfalls um Sozialismus, nein es geht um Weltveränderung, um den Kampf gegen das Establishment und um ein jeweils neues Verständnis von Gerechtigkeit. Formulieren wir also:
"Wer vor seinem dreißigsten Lebensjahr niemals gegen die etablierten Strukturen gekämpft hat, hat kein Herz. Wer nach seinem dreißigsten Lebensjahr noch dagegen Kämpft, hat keinen Verstand."
Ich frage mich (auch dort im Kommentar) allerdings dieses: Findet nicht schon länger ein eigentümlicher Quertausch politischer Positionen statt? Neokonservativ = wirtschaftsliberal und -expansiv, und damit, weil wirtschaftsfördernd, doch wirtschafts"progressiv". Die globalisierungsskeptische Linke hingegen zeigt extatisch auf das Wunder kulturell hervorgebrachter Multiplizität und versucht, sie vor der Homogenisierung durch ein weltumspannendes Kapital zu bewahren, zu "konservieren". Links ist das neue Rechts und umgekehrt?

Zeitzeichen

Wenn Verdichtung und Beschleunigung so mitreißend wirken, dass man nur mit Abstand, im Abstand, im Entzug fähig wird, Dinge Lagen Sachverhalte einschätzen zu können: Ist dieses sich entziehende Dabei statt Mittendrin, dessen Gegenteil ich sonst fordere, Sehnsucht nach "Objektivität", nach Verständnis statt erlebtem Anteil, nach Rückzug aus Abgestumpftheit und Erschöpfung?