Chiasmus, politisch

mspro mal wieder in Höchstform:

Den berühmten Satz von Benedetto Croce:
"Wer vor seinem dreißigsten Lebensjahr niemals Sozialist war, hat kein Herz. Wer nach seinem dreißigsten Lebensjahr noch Sozialist ist, hat keinen Verstand."
halte ich für falsch.
Denn:
Es geht nicht notwendigenfalls um Sozialismus, nein es geht um Weltveränderung, um den Kampf gegen das Establishment und um ein jeweils neues Verständnis von Gerechtigkeit. Formulieren wir also:
"Wer vor seinem dreißigsten Lebensjahr niemals gegen die etablierten Strukturen gekämpft hat, hat kein Herz. Wer nach seinem dreißigsten Lebensjahr noch dagegen Kämpft, hat keinen Verstand."
Ich frage mich (auch dort im Kommentar) allerdings dieses: Findet nicht schon länger ein eigentümlicher Quertausch politischer Positionen statt? Neokonservativ = wirtschaftsliberal und -expansiv, und damit, weil wirtschaftsfördernd, doch wirtschafts"progressiv". Die globalisierungsskeptische Linke hingegen zeigt extatisch auf das Wunder kulturell hervorgebrachter Multiplizität und versucht, sie vor der Homogenisierung durch ein weltumspannendes Kapital zu bewahren, zu "konservieren". Links ist das neue Rechts und umgekehrt?

Samuel Bechstein hat gesagt… said:

3. Dezember 2008 um 10:43  

Lechts und Rinks

Es ist nun mal so, dass wir Menschen uns in einem kontinuierlichen Veränderungsprozess befinden.
Und es sieht so aus, dass dise Veränderungen, einhergehend mit der Technik und Klimaveränderung, immer schneller und schneller von statten gehen.
Links und Rechts, Was ist das schon. Ein grobes Schema. Und Du schreibst, rechts währe wirtschaftsliberal. Schau Dir mal die Parteiprogramme von Rechten randgruppen an (DVU, NPD und das ganze gesocks, vor dem wir alle die Augen so gerne verschließen (hauptsache dagegen, aber ja nicht hingucken)). Da steht nichts von Wirtschaftsliberalismus. Ganz im Gegenteil. Protektionismus pur.
Oder die Republikaner in den Usa, sind Die so total Liberal?
Ansonsten stimme ich Dir bei, es hat sich viel verändert. Es ist eine neue Zeitepoche angebrochen.
Flexibilität ist in der Politik das a und o (bsp Ypsilanti) und wirklich entscheidend:
Links und Rechts, wird heute noch immer mit den Augen des letzten Jahrtausend beurteilt. Das ist der Knackpunkt, Der entscheidende Denkfehler bei "Links" und "Rechts".
Diese Begriffe sind veraltet und hinderlich. Ich habe nie etwas von dieser Katigorisierung gehalten. Zu sehr wurde das Missbruaucht (du bist rechts/ links, also höre ich Dir nicht mehr zu (wie Frau K.H.;-)).
Es ist zu einfach, Parteien oder individuen in links oder rechts einzuteilen. Und der Bedeutungsinhalt ist zudem auch überholt.
Offenheit kennt kein schwarz und weiß!
Lieber nach dem Inhalt schauen als mit katigorien einfach drauf zu hauen.
-Der Sozialismus ist tot. Es lebe der Sozialismus-.
Auf dass der neue mehr vermag.

P.S. Ich halte weder den Sozialismus noch den Faschismus für praktikabel.Und Wir alle sollten uns von diesem unseligen Partei Denken Lösen und mehr handeln.

Anonym hat gesagt… said:

3. Dezember 2008 um 17:03  

Ich halte den zitierten Satz in dieser, wörtlichen Form schlicht für Unsinn, aber vermutlich ist er provozierend und mit einer bestimmten Intention so formuliert worden, denn sonst müsste man annehmen, dass in Kulturkreisen wo der Sozialismus unbekannt ist, nur herzlose Menschen leben.

karl gumbricht hat gesagt… said:

3. Dezember 2008 um 17:06  

lieber willyam,

ich komme nochmal auf meinen gedanken zurück, so schmerzlich er auch sein mag. progression findet innerhalb eines systems statt. so wie konservation ja auch element eines systemes ist. so zumindest verstehe ich das, ohne einen querverqeis auf literatur bieten zu können. demnach kommt dem konservativismus eine bedeutende aufgabe in dem zu was wir fortschritt nennen - unabhängig von der politischen bedeutung oder konnotation der begriffe. nicht umsonst bedauern liberale amerikaner heute offen, dass auf der konservativen gegenseite im laufe der letzten jahre konservative intelektuelle argumente mit dem vermeintlichen wort des einfachen mannes vertauscht wurde. es fehlt das also das korrektiv. ein intellektuelles vakuum bei den konservativen eliten. (ich las einen interessanten artikel in der zeit -- der autor ist amerikanischer publizist, name vergessen, zeit verlegt...)

balance of power also. kein gegensatzpaar, sondern anteile eines systems, oder so...

Willyam hat gesagt… said:

6. Dezember 2008 um 17:38  

Darüber, dass Liberalismus auch Protektionismus bedeutet, brauchen wir nicht streiten; ebensowenig darüber, dass die Schubladen "links" und "rechts" keine Essenzen vermitteln, weil politische Positionen als Antinomien sowohl bewahrend als auch veränderungsorientiert wirken können. Ich wollte die Spektren auch nicht gewichten. Dass sie Teil eines Systems sind, das ohne einen verlangsamenden Pol aus seinem zerbrechlichen Gleichgewicht fällt, bestreite ich darüber hinaus auch nicht. Dass keine Position für sich in Anspruch nehmen kann, einen wie auch immer definierten "Fortschritt" oder "Wandel" lenken zu können, ist doch selbstverständlich.

Worauf ich dagegen anspielen wollte, war die einfache Feststellung, dass diese Komplexitäten im öffentlichen Alltag (oft) ausgeblendet werden, um ein Lagerdenken zu bedienen, dessen Ausrichtungen sich inzwischen aber verkehrt haben.