Die Grenze befragt: Privat / Öffentlich

Ein paar knappe Zeilen über ein Thema, zu dem ich mir bisher nur gelegentliche Gedanken geleistet habe (meine Schlussfolgerungen fand ich nicht nennenswert genug, um zur Diskussion beizutragen): Die zwangsläufigen Aufarbeitungen und Neudefinitionen von privat und öffentlich, die das WWW insbesondere mit seinem Trend zur Teilhabe (Stichworte u.a. die Social Networks, das Web 2.0 & der Prosumer) und die Debatte um die Datenvorratsspeicherung aufwerfen. Zu letzterem bloggt TIEF in vergangener Zeit regelmäßig, zuletzt hier.

Dass die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Ich verschwimmen, dass ich sie (bewusst) verschwimmen lasse, wenn ich via facebook oder StudiVZ Persönliches von mir preisgebe, ist mir klar. Bleiben wir bei der Idee der Preisgabe: Das, was ich dort will, hat für mich keinen eigentlichen Preis, zumindest keinen nominellen, keinen Marktpreis: Ich will Kommunikation, unter Freunden (wie ausgedeht auch immer das Verständnis von Freundschaft inzwischen sein mag). Was ich dort zugleich veröffentliche & öffentlich mache, dient der Kommunikation - zwischen Menschen, nicht einem beliebigen Unternehmen zur Einschätzung meiner Kaufkraft, nicht zwischen einer Marke und ihren potentiellen Abnehmern. Das Private mag heute in seinem Hang zum seichten Exhibitionismus Züge des Öffentlichen in sich aufnehmen - damit gebe ich das Private aber noch längst nicht zur Be-Werbung frei. Bei StudiVZ wollte ich stets ausdrücklich Privatperson, kein Nutzer, kein Waren- oder Markenkonsument sein. Für Werbung zwischen den Nachrichten meiner guten alten Schulfreunde ist und war dort niemals Platz angedacht, zumindest nicht in meiner Wahrnehmung.

Mein Vorstoß also: die Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Präsenz mache ich im Netz fortan an der Einverständniserklärung fest. Bin ich User, Nutzer, der formulierten, einklagbaren Nutzungungsbedigungen zugestimmt hat, oder bekenne ich mich als Nicht-Nutzer aus freier Solidarität, aus sozialer Nähe zu offenen, selbstregulierenden Standards, die sich durch die Art und Form der Kommunikation selbst herauskristallisieren? Schlägt mit meiner Zustimmung jemand Profit aus meinem Kommunikationsbedürfnis - dann bin ich als Vertragspartei meiner Ansicht nach "öffentlich" unterwegs. Privat heißt daher für mich im Kern: Ohne Vertrag. Was nicht heißen soll: Ohne Verpflichtungen; sie ergeben durch den Austausch sozialer Gesten.

Das Private setze ich also gleich mit: Ohne Einwilligung zur Datenweitergabe, ohne SMS-Werbung und ohne SPAM. Im privaten Raum werde ich nicht angesprochen. Im Gegenteil - hier kann ich sprechen, für mich, ohne verführerisches Werberauschen. Das Private ist werbefreie Fläche.

Darüber, wie schwer diese Forderung außerhalb des WWW, sprich: in der physischen Öffentlichkeit, umzusetzen ist, will ich gar nicht nachdenken. Eine Aktion in Kreuzberg hatte vor einiger Zeit darauf aufmerksam gemacht. Ins Blaue hinein nachgedacht, scheint mir folgende Verkehrung eingesetzt zu haben: Privat bin ich am ehesten auf öffentlichen Flächen; sie gehören der Kommune, der Stadt, dem Land, dem Bund. Öffentlich dagegen bin dort, wo privatisiert worden ist.