Gute Lehre

Offensichtliches wiederholt und voreingenommen in eigene Worte gefasst: Die mit dem Historismus etablierte Forderung, man solle im Unterricht lehren anstelle zu werten, kann sich nicht gerecht werden. Zwar kann man sich einbilden, die Streitfrage um das inhaltliche "Was?" beiseite gelegt zu haben, da jede Epoche jetzt gleichwertig "unmittelbar zu Gott" ist, wie Ranke es formulierte. Diese Öffnung objektiviert allerdings kaum unseren Quellenumgang; sie erlaubt uns noch weniger, jede Geschichtsauseinandersetzung ausschließlich auf das methodische "Wie?" zu konzentrieren. Ich kann mir zwar wünschen, "daß der Forscher und Darsteller die Feststellung empirischer Tatsachen [...] und seine praktisch wertende, d.h. diese Tatsachen beurteilende, in diesem Sinn 'bewertende' Stellungnahme unbedingt auseinanderhalten solle [...]". Doch Weber argumentiert noch ohne Michel Foucaults Einsichten in die Zusammenspiele von "pouvoir-savoir", "power-knowledge", Macht und Wissen.

Der sie im Französischen und Englischen verbindende Gedankenstrich polarisiert Wissen und Macht ausdrücklich nicht, um ihnen eine kontrahentische Gegenüberstellung zuzuweisen oder ihre idealtypisierte Trennung in zwei Sphären reinen, unvoreingenommenen "Wissens" einerseits und roher, selbstreproduzierender "Macht" andererseits vorzuschlagen; noch deutet der Gedankenstrich ihr Verschmelzen an. Nein - Wissen und Macht, darauf besteht Foucault, überschreiben sich gegenseitig, permanent und bis zur Undifferenzierbarkeit: Wissen baut ebenso auf Macht wie Macht zugleich auch auf Wissen baut. Weder gibt es machtfreies Wissen, noch wissensenthobene Macht.

Das "Was?" ist also umso aktueller, bleibt es doch perspektivabhängig: "unterrichten" heißt doch im Unterschwelligen, bereits durch die Vermittlung, und vor allem: indirekt, d.h. mit der Auswahl der Vermittlung, zu richten. Das Einzige, was daher unhinterfragt zu lehren sein kann, ist die Motivation zum Impuls des unmittelbaren Selbst(be)fragens und Selbst-er-/-auf-klärens - der Wille einer Aufklärung, die immer selbst vorgenommene Aufklärung ist.

Anonym hat gesagt… said:

23. September 2008 um 11:32  

Ein schöner Artikel - wie immer mit diesem fragenden Duktus. Du kommst zu einer Aussage lässt sie sich aber zum Raum der Möglichkeiten hin öffnen.

In diesem Raum der Möglichkeit wagabundiert für mich die Frage nach den Adressaten für deine Überlegung. Ich wünschte natürlich sie käme bei den Lehrern an, die vor meinen Kindern stehen werden.

Wenn die Motivation zur Selbsthinterfragung, wie du schreibst, tatsächlich der Einzige "ideologiefreie" Lehrinhalt ist, dann wäre schon viel gewonnen. Ist das aber eine Wissensvermittlung? Ist das nicht eher ein ideeller Wert, oder einer der in einen Bereich sozialer Kompetenz hineinreicht - also nicht unbedingt eine Frage der Wissensvermittlung, sondern eine Frage der Haltung und Persönlichkeit des Lehrenden?

Ich frage so ausführlich, weil Deine Einleitung zu deinem Gedanken noch so nah an der Paarung Wissen-Macht und den damit anhängenden Ideen gebunden ist, sich in deinem Fazit aber ganz davon löst und dieses neue Moment einführt: die Motivation. Ich frage so ausführlich, weil ich glaube, dass sich noch mehr in der Persönlichkeitsentwicklung verbirgt als nur dieses eine, sicher besonders wertvolle Moment.

Was mir noch dazu einfällt:
Ist Aufklärung überhaupt eine Frage des Lernens, also der Bildung?
Kann ich der Macht des Wissen und dem Wissen der Macht nicht mit einem aufgeklärten Geist begegnen?
Wir wissen doch dass manipuliertes Wissen immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit darstellt. Wir wissen das weil wir aufgeklärt sind. Wissen wir das weil wir das manipulierte Wissen zwingend widerlegen können? Nicht unbedingt, oder? Wir wissen es weil wir die Möglichkeit in betracht ziehen, dass uns nicht alles gesagt wird. Aber müssen wir dazu gebildet sein? Das schweift ein wenig ab. Alles in ().

Danke für den Artikel

mspro hat gesagt… said:

23. September 2008 um 15:29  

karl gumbricht, ein interessanter Gedanke, der sich bei mir eben selbstständig gemacht hat, und ein gewisses Gefühl der Zeitgenossenschaft hervorrief:

"Wissen wir das weil wir das manipulierte Wissen zwingend widerlegen können? Nicht unbedingt, oder? Wir wissen es weil wir die Möglichkeit in betracht ziehen, dass uns nicht alles gesagt wird."

Was bleibt, ist hier die Frage: Eben jenes schwummerig, schwammige Gefühl, des aufgeklärten Menschen in unserer Mediengesellschaft. Die Verschwörung lauert hinter jeder Ecke, doch beweisen kann man sie nicht. Heute erst bin ich durch einen Kommentar bei mir auf auf http://www.demokratie-ist-wichtig.de/ gestoßen. Das ist ja schon alles richtig, was dort steht und doch erzeugt es ein mulmiges Gefühl. Wie groß ist die Macht von INSM und Co wirklich? Ab wann bin ich ein kritischer Mensch, ab wann ein Spinner?

Wir wissen. Wir wissen auch um manipuliertes Wissen. Aber das macht uns nur zu Kretern, die behaupten, dass alle Kreter lügen.

Willyam hat gesagt… said:

25. September 2008 um 23:36  

@ Karl: Selbsthinterfragung kostet Zeit, die ich sonst in Selbstverständlichkeiten investieren kan. Weit über einen ideellen Wert hinaus sehe ich sie, wird mir gerade deutlich, als Weg zu einer (will man sich vage auf die Antike beziehen, dann: Wieder-)Entdeckung demokratischer Langsamkeit, die selbstverständlich auch in anderen Bereichen eine wichtige Funktion erfüllen könnte. Diese Langsamkeit ist vielleicht eine der konkreteren Umsetzungen, die man mit dem Rückhalt Foucaults anstreben kann. Ausblenden darf man dabei allerdings nicht, und ich betone das nochmals ausdrücklich, dass das Wissen, das man "manipuliertem" Wissen gegenüberstellt, um es zu entlarven, selbst "Macht-Wissen" ist: Es baut keinen Deut weniger auf Macht auf als die Herrschaft, die sich auf die geheimniskrämerische Vorenthaltung von Informationen verlässt. JEDES Wissen ist zugleich Macht; Gleiches gilt in Umkehrung.

Ob man aufgrund dieser "Langsamkeit" zum Spinner wird? Vermutlich, und das ist ein Ausgrenzungsphänomen, das mich schon seit langem interessiert. Vielleicht sollte ich mir vornehmen, darüber ein paar Absätze zusammenzuschreiben. Mein Eindruck: Je informierter man ist, desto "radikaler", d.h. die Wurzeln des Bestehenden hinterfragend, vielleicht sogar unterwandernd, wird man wahrgenommen. Vermutlich müsste man die "Grenze" zwischen machbarer oder wünschenswerter Alternative und umstürzlerischer Radikalität zu verorten versuchen. Dort erkennt man unter Umständen, dass Gesellschaften schon lange ein Bewusstsein für ihre "Globalisiertheit" haben: Radikalität führt eine Veränderungskomponente ein, die jeden betrifft und ihn aus Gewohnheiten reißt, ohne ihm bei der Gestaltung eine Wahl zu lassen ...

Das als vage These ... :-)

Samuel Bechstein hat gesagt… said:

26. September 2008 um 21:54  

Die wirklich Gute Lehre
kann wohl nur stetig neu entdeckt werden. Objektivität nie ganz.
In der Geisteswissenschaft gilt das denke ich extrem. Hier eher villeicht: weit ab von ganz.
Gut, allgemeinplatz im grunde.
Ich werde für meine meinung einen kleinen Anlauf nehmen müssen:
Wie gehen wir mit texten um? So wie es unsere Umstände in der wir leben es uns ermöglichen.
Der forscher sieht die Dinge aus seinem Zeit und einfluss Fenster heraus. Alleine schon mit der sache, mit der er sich beschäftigt
ist Ursache seiner Zeit, und seines Umfeldes. Und das ist unveränderlich.
Zu wissen und Macht meine ich,
dass man durch wissen ebenso Macht einbüßen kann. Kommt halt auf das betreffende Wissen an.
Aber hier sehe ich zu schleirig.
Warum ist das Was Deiner Meinung Willyam, umso Aktueller?
Geht es nicht mit dem Wie einher. Was, Wie
Und ist das Was nicht der Zeitlichen und Örtlichen Selektion so verbunden, wie Wissen und Macht die meistens sind?
In der Deutschen Kaiserzeit, unterrichtete man was anderes, als heute, oder in der Weimarer Republik.
Auch die frage Was geschieht, ist nicht perspektivisch unabhängiger, als wenn man untersucht, wie etwas geschieht. (es ist nur leichter)
Also, wie Du ja auch schreibst:
Man richtet indirekt mittels der Selektion des zu unterrichtenden.
Sich selbst zu befragen was man warum Wissen möchte,
bedeutet das aufstoßen eines Tores in eine noch viel Komplexere Welt.
Ist einem damit geholfen?
Kommt man damit zu einem Ziel?
Kommt man in der Selbstaufklährung weiter? Ist der Preis zahlbar?
Selbstbeobachtung, und Aufmerksamste Beobachtung der eigenen Umwelt führen da schon weiter. Und am ende steht, meine ich nur der Instinkt, und dieser selektiert wieder genau so. Es ist ein Gordischer Knoten. Jeder Zeit eben ihre Unterrichtung.

Zu karl gumbricht:
Gibt es Wissen, das wahr ist, also nicht manipuliert ist???

zu mspro:

Das Gefühl ist es wohl was uns Klüger sein lässt, und am effektivsten weiss, was annährend wirklich Sache ist.

Zu William:

Eine Sehr schöne These, die Du da hast. Und vorallem recht klar formuliert.
Mir fällt dazu ein, das der Wandlunfsfaktor Radikalität umso brisanter und unkonntrolierbarer wird, je länger er vor sich hin kocht, oder anders gesagt unterdrückt wird.
Siehe die Franz. Revulution, das 3. Reich, oder besser, die Russische Revulution von 1917/18.
Alles fließt.

Anonym hat gesagt… said:

26. September 2008 um 23:22  

am sichersten erscheint mir jenes wissen zu sein, welches dir selbst am nächsten ist und du soweir verstanden und als richtig anerkannt hast. in dem wissensraum in dem du dich bewegst, bewegen sich andere, mit denen du dein wissen austauschen und überprüfen kannst, es ausbauen usw. in etwa, wie es in einem blog und dem übergeordneten vernetzten system geschieht. in diesem wissensraum, der neben anderen und in antagonie zu anderen wissensräumen steht, der andere wissensräume schneidet usw. ist wissen überhaupt ein frage wahrheitsfrage? manipulation von wissen entsteht schon bei der vermittlung von wissen gegenüberkindern. ihnen den komplexen naturwissenschaftlichen zusammenhang zu erläutern, warum wasser nicht nach oben läuft, ist ohne die gravitationsgesetze etc. eigentlich unvollständig, dennoch ist die information für ein kind uninteressant der vergleich mit lauter dingen die nach unten fallen hingegen nachvollziehbar und mit spass überprüfbar. ich habe den wahrheitsbegriff bis heute nicht begriffen. er entzieht sich meines wissens. vielleicht ist ja die manipulation von wissen genau der gewinn, den sich die wissenschaft zu eigen macht. durch manipulation, theorien, evoluiert das wissen möglicherweise?

Willyam hat gesagt… said:

29. September 2008 um 08:52  

@ Karl: Wissen ist überhaupt keine Wahrheitsfrage; was wahr ist, wird Dir von Deinem Wissensraum, in dem Du Dich bewegst, vorgegeben. Nimm als Beispiel die unterschiedlichen "Weltsichten" einer - für's Argument stark vereinfacht - konservativ-liberalen Position einerseits und einer sozialdemokratisch-marktwirtschaftlich gemäßigten Position andererseits. Diese Positionen, die man bezieht, berufen sich auf Argumente, die in einem bestimmten, aber nicht genau abgrenzbaren Raum Wahrheit beanspruchen können, während sie von der Gegenseite als sozial unverträglich, ungerecht und ungerechtfertigt "wahr genommen" werden, die nicht weniger ihre eigenen Wahrheiten aufzubauen imstande ist.

Ich glaube, Du solltest Dich unbedingt mal Herrn Foucault widmen: Deine Idee von Wissensräumen ist (vielleicht) quasi seine Diskurstheorie ...

karl gumbricht hat gesagt… said:

29. September 2008 um 12:48  

Lieber Wylliam, liebe Leser,

Erst einmal will sich Karl entschuldigen: Ich habe selbst kaum noch lesen können was ich da geschrieben habe. Ich gelobe Besserung. Etwas mehr Zeit und vielleicht andere Uhrzeiten, verknüpft mit einer guten Funktastatur, könnten Abhilfe schaffen. Etwas mehr Sorgfalt vor dem Versenden von Kommentaren wären positiv.

@Willyam, ja das ist nachvollziehbar, was Du über die Trennung von Wissen und Wahrheit schreibst. Dennoch zum bessern Verständnis eine Frage: Wenn der Wissensraum die Wahrheit bestimmt, kann ich jenes Wissen, welches meine Wahrheit in Frage stellt aus guten Gründen ablehnen? Ich finde dein Argument zwar schlüssig, es führt mich aber irgendwie auf dieses ethische Terrain...

Und noch etwas fällt mir zu fragen ein: Wenn der Wahrheitsbegirff bezüglich von Wissen nicht greift, was ist dann manipuliertes Wissen? Oder gibt es nur manipulierte Informationen?

Foucault steht bei mir auf der Ablage neben Feyerabend. "Wahnsinn und Gesellschaft" aus einem Antiquariat mit handschriftlichen Notizen und Unterstreichungen von einem Vorbesitzer. Sie stehen dort als Absichtserklärung - ich habe schon ein wenig darin gelesen, bin aber nicht sicher ob es zu dem hiesigen Thema passt. An welches Bändchen hättets Du denn gedacht?

Willyam hat gesagt… said:

30. September 2008 um 20:07  

Wie wär's denn mit diesem?

Die Unterscheidung zwischen manipuliertem Wissen und Wissen in diskursiv "reiner" Form ist auf alle Fälle schwer auszumachen: die bewusste oder unter Druck vorgenommene Vorenthaltung, Verzerrung, Übertreibung, Ausblendung, Verkürzung, kurz: die bewusste Beeinflussung der Wahrnehmung eines Sachverhalts wäre - vielleicht! - das eine; die im eingewöhnten Alltag mitgetragenen und reproduzierte Orientierungs- und Verhaltenswissen das andere.

Und als griffige Ein-Satz-Definition für Foucaults Verständnis eines "Diskurses" ist für mich die: Ein Diskurs bestimmt nicht bis ins Einzelne, was Du denkst, sondern eher die groben Regeln und Grenzen, die Varianzen, in denen Du innerhalb seiner denken kannst, ohne von ihm ausgeschlossen zu werden. Dank an banale Beispiele wie ein Uni-Referat, bei dem der Referent oder die Referentin sächselt oder berlinert, während der akademische Diskurs Hochdeutsch vorschreiben würde: Der oder die Sprechende büßt, unabhängig seiner oder ihrer Kompetenz, unmittelbar an Glaubwürdigkeit ein ...

... schwierig, so auf die Kürze ... :-)

Anonym hat gesagt… said:

26. Oktober 2008 um 22:31  

Ist Selbstaufklärung nicht so etwas wie ein Rettungsanker für das was wir "Objektivität" nennen? Die (ironische) Brechung meiner Gedanken, Handlungen, Vorstellungen, ihre Spiegelung etc. erlaubt, dem anderen erst in einen Diskurs zu treten, erlaubt Kritik, und macht meinen Standpunkt dadurch (möglicherweise) objektiver.

***

Ich misstraue der Folgerung, dass mein Wissensraum meine Wahrheit bestimmt. Die experimentelle Methodik der Naturwissenschaft zeigt - trotz aller erkenntnistheoretischen Probleme - doch, dass dieser Wissensraum vorläufig ersetzt, oder verändert werden muss, wenn wir einen anderen Blick (auf die Wahrheit) gewinnen, der aber eben nicht durch den Wissensraum bedingt ist.

***

Vielleicht ist die Tendenz zur Selbstaufklärung auch charakterlich mitbestimmt bzw. begünstigt (Neigen Menschen mit wenig ausgeprägtem Ich- oder Selbstbewusstsein eher dazu?)

Willyam hat gesagt… said:

30. Oktober 2008 um 13:51  

Ich bin mir nicht sicher, metepsilonema. Die durch ihre eigene beschränkte Perspektive motivierte, bewusste Öffnung gegenüber anderen Standpunkten ist m.E. kein "Rettungsanker". Ich verlange das aus "Bescheidenheit", aus dem Wissen um meine nur minimale Ein- und Umsicht. Der Gedanke an eine Näherung an "Objektives" treibt mich da weniger. Stattdessen sehe ich diese Abrundung, diese Enthierarchisierung als Geste, Andeutung einer Bereitschaft, mich und meine Standpunkte möglichst offen zu überdenken, wenn mir die Notwendigkeit bewusst (gemacht) wird. Und dass Charakter dabei eine Rolle spielt, glaube ich weniger; Selbsthinterfragung ist Methode, und weniger Anlage.

Anonym hat gesagt… said:

5. November 2008 um 22:47  

Bescheidenheit könnte auch bedeuten, dass an sich damit zufrieden gibt, dass die eigenen Ansichten keine "letzte Gültigkeit" besitzen, sie verlangt nicht eo ipso, dass man sich mit den Ansichten anderer auseinandersetzen muss/kann/sollte. Man könnte aus Bescheidenheit sogar davon Abstand nehmen, den Fragen weiter auf den Grund zu gehen. (Ich will aber nicht behaupten, dass Bescheidenheit keine Rolle spielt).

Warum schreiben wir hier? Hauptmovens ist doch, dass wir von einander lernen (abgesehen davon, dass es Spass macht, wir zeigen können was wir nicht alles wissen, wir an und für sich gerne Schreiben usw.). Wir kritisieren, versuchen zu verstehen, fragen nach, erfahren von anderen Ansichten, und letztlich erweitert sich unser Blickwinkel - er wird "objektiver". Umfassender. Zuvor nicht gekanntes wird in das vorhandene framework eingebaut.

"Rettungsanker" war vielleicht eine schlechte Wortwahl. Andererseits kann die Motivation bei verschiedenen Personen, jeweils unterschiedlicher Natur sein. Aber kommt nicht Deine [...] Andeutung einer Bereitschaft, mich und meine Standpunkte möglichst offen zu überdenken, wenn mir die Notwendigkeit bewusst (gemacht) wird. dem was man "objektiv" nennt, nahe?

***

Warum hier eine charakterliche Sache mitspielen kann: Ich habe schon Gespräche geführt, in denen Personen Dinge (selbstsicher) behauptet haben, die sie eigentlich (bei Nachfrage) gar nicht wussten. Andere Menachen wiederum sind grundlegend unsicher, sie würden immer anführen, dass sie es nicht genau wüssten, obwohl sie es eigentlich tun. Diese Unsicherheit macht offener für die Meinung anderer.

Willyam hat gesagt… said:

7. November 2008 um 19:20  

Offenes Überdenken verstehe ich nur beschränkt als Objektivitäts-"gewinn". Ich mag einen Sachverhalt mittelfristig scharfsinniger durchschauen, aber da mein Gehirn kein mechanischer Speicher ist, erfahre ich mit jeder Hinterfragung auch eine Verschiebung meines Wissens. Vielleicht dürfe wir davon ausgehen, dass Erkenntnis eine palimpsestartige Natur hat: Irgendwann ist der Stapel ausgelesener Bücher so hoch gewachsen, dass ich mich an die ersten Thesen nicht mehr erinnern kann ...

Anonym hat gesagt… said:

9. November 2008 um 23:02  

Beschränkte Objektivität in jedem Fall - "harte" hatte ich auch nicht im Sinne.

Willyam hat gesagt… said:

10. November 2008 um 09:57  

Dann meinen wir wohl ein und dasselbe. :-)

Bleibt noch die Charakterfrage, die Du gestellt hast. Offenbar kann man sich sicher über die Gefahr von Festlegungen sein - und daher eine gewisse Unsicherheit vertreten, wie Du hier schon gemeint hast.

Andererseits würde ich über die Menschen, die sich grundsätzlich "unsicher" zeigen, hinzufügen (und mich selbst sicherlich dazu zu zählen): Eine Korrelation zwischen Unsicherheit und Sensibilität. Je aufmerksamer jemand seine Umwelt befragt, je mehr Fragen er stellt, desto eher lässt er sich verunsichern. Und der Grad diese Verunsicherung wiederum wirkt auf die unmittelbare Lebenseinstellung zurück und äußert sich als Melancholie - oder greift Dich sogar als Depression direkt an.
Für denjenigen, für den "alles doch ganz einfach" ist, stellt sich dieses Problem eher nicht. Das Bild geben zumindest meine "sozialen Erfahrungen" her ...

Anonym hat gesagt… said:

10. November 2008 um 23:06  

Das hast Du sehr schön gesagt (Die sich als Melancholie äußernde Unsicherheit).

Ein Bekannter meinte einmal folgendes: Trinkt man ein Glas Wein, darf man nicht fragen warum man das tut.

Glücklicher ist man wohl, folgen kann ich ihm trotzdem nicht. Aber wer weiß ob wir überhaupt die Wahl haben.

Willyam hat gesagt… said:

11. November 2008 um 08:07  

Ich schließ mich Dir an: Ich kann ihm auch nicht folgen ... Als ob ein Glas guten Weins grundsätzlich schon Melancholie kompensieren sollte? Oje ... :-)

Anonym hat gesagt… said:

11. November 2008 um 15:40  

Das Glas Wein war nur ein Beispiel; er wollte damit ausdrücken, dass man mit dem Fragen gar nicht beginnen sollte. Eher Melancholievermeidung...