Postmoderner Weber?

Glaube ich der These, die Christopher Norris in seinem Aufsatz „Why Derrida Is Not a Postmodernist“ entwirft, dann gilt für Denker wie Lyotard in Kurzfassung: „there is just no point in pursuing […] analysis beyond the stage where it acknowledges the open-ended plurality of narratives, language-games, or discourses” (S. 155). Der Einsatz ihrer Instrumente ist allein ihren unermüdlichen Hinweisen auf die übersehene Pluralitäten und die gelebte Uneindeutigkeit unserer Lebenswelten gewidmet. Es geht ihnen prinzipiell um das Aufdecken dieser – mit Vorsicht formuliert: „Tatsache“ und dem Wunsch, unsere Alltagsorientierung zu enthierarchisieren.

Wenn ich neulich noch die Postmoderne als Aufklärung der Aufklärung aufgefasst habe, dann wohl ganz in diesem Geist. So exklusiv lässt sich der Gedanke allerdings nicht aufrechterhalten. Nerone gegenüber habe ich ausgerufen, wie sehr ich immer wieder fühle, dass die Resignation einer meiner Dozenten durchaus Berechtigung hat: Viel weiter als Max Weber sind wir mit unseren postmodernen Erkenntnisversuchen nicht gelangt.

Auch Weber geht es unter anderem darum, die eigentlichen Motive und Motivationen individuellen Handelns zu benennen: Erkenntnis kann die „[…] ‚Ideen’, die dem konkreten Zweck zugrunde liegen oder liegen können […] dem geistigen Verständnis […]“ (17) erschließen. Diese „Verständlichmachung“ (49), diese bewusstgemachte und zugleich bewusstmachende „Kenntnis der Bedeutung des Gewollten selbst“ (17), schließt unmittelbar auch den Anspruch ein, die bewussten und unbewussten, gewollten und ungewollten Folgen individuellen Handelns aufzuzeigen (16). Wie aber kann diese Kenntnis von einer unbewussten Bewertung ausgeschlossen werden? Hierzu bedarf es einer nüchternen Spiegelung der untersuchten Wertideen, die Weber in der „[…] Prüfung der Ideale an dem Postulat der inneren Widerspruchslosigkeit des Gewollten […]“ (18) umgesetzt sieht. Ziel dieser Prüfung ist letztendlich die „Selbstbesinnung“, mit anderen Worten: die kritische Hinterfragung des menschlichen Handels auf seine Chancen, „mit bestimmten zur Verfügung stehenden Mitteln einen bestimmten Zweck überhaupt […] erreichen, abwägen und mithin direkt die Zwecksetzung selbst […] als praktisch sinnvoll oder aber der gegebenen Verhältnisse nach sinnlos“ (16) erkennen zu können.





Christopher Norris, „Why Derrida Is Not a Postmodernist“, in: Beyond Postmodernism: Reassessments in Literature, Theory, and Culture. Berlin: de Gruyter, 2003, S. 143-155.
Max Weber, Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. Schutterwald (Baden): Wissenschaftlicher Verlag, 1995.