Nie wieder

Die Frage, wie man Unrecht wieder gut macht, findet bereits nur schwer ihre Beantwortung. Wie also, auf welche Weise, leistet ein Staat „Wiedergutmachung“? Kann ein Staat durch abstrakte Leistungen reparieren? Kann er für einen Völkermord (an den Herero, an den europäischen Juden, um nur zwei Fälle aufzugreifen) entschädigen, den begangenen Schaden annullieren, seine Schuldbilanz ausgleichen?

Und wonach orientiert sich die Höhe der dem Einzelnen geleisteten Wiedergutmachung? An dem historisch begangenen Unrecht? Oder an der aktuellen Bedürfnislage des Opfers / seiner Nachkommen? Sollte, pauschal gedacht, ein heutiger Millionär in gleicher Höhe / mit gleicher Leistung entschädigt werden wie ein Geringverdiener?

Unrecht wirkt nach, wächst unter Umständen sogar weiter. Die Sklaverei mag abgeschafft worden sein – trotzdem lebt eine ihrer eigentlichen Dimensionen bis heute im Rassismus fort. Selbst wenn es möglich ist, diese Nachwirkungen als Rassismus zu benennen – kann man Rassismus beziffern? Kann man ihn wiedergutmachen? Ist man bereit, strukturelle Eingeständnisse zu machen: Ja, die Nachkommen amerikanischer Sklaven leiden noch heute an gesellschaftlichen Umständen, die ihnen ihre volle Freiheitsentfaltung unmöglich macht?

Und welchen Ursprüngen entstammt diese eigentümliche Kopplung von Erinnerung und finanzieller Reparation? [Eine Vermutung, auf Restitutionsfälle entzogenen Eigentums im Dritten Reich bezogen, das in Einzelfällen verhandelt wurde: Weil der finanzielle Ausgleich als Recht und Unrecht zugleich wahrgenommen wird. Über Lippenschuldbekenntnisse hinaus muss man den Profittragenden etwas nehmen, was zentral ist, Lebensgrundlage bildet, ohne doch wieder erneutes, anhaltendes Unrecht zu provozieren. Vermögen ist dafür das ideale Ausgleichsmittel: Man entzieht jemandem das, was er sich erarbeitet hat, sich wieder erarbeiten lässt.]