Aufklärung der Aufklärung?

Ist "die Postmoderne" eine Aufklärung der Aufklärung?

Zur Erläuterung der Rückgriff auf Horkheimer und Adorno: Die glückliche Ehe zwischen dem menschlichen Verstand und der Natur der Dinge, die er im Sinne hat, ist patriarchal, lautet ihre "Variante" dieser These, die ich in ihre Dialektik der Aufklärung (1947) hineinlese: der Verstand, der den Aberglauben besiegt, soll über die entzauberte Welt gebieten. Das Wissen, das Macht ist, kennt keine Schranken, weder in der Versklavung der Kreatur noch in der Willfährigkeit gegen die Herren der Welt. [...] Von nun an soll die Materie endlich ohne Illusion waltender oder innewohnender Kräfte, verborgener Eigenschaften beherrscht werden. [...] Als Sein und Geschehen wird [...] vorweg nur anerkannt, was duch Einheit sich erfassen lässt; ihr Ideal ist das System, aus dem alles und jedes folgt. [...] Die Vielheit der Gestalten wird auf Lage und Anordnung, die Geschichte aufs Faktum, die Dinge auf Materie abgezogen. Daher ihre deutliche Schlussfolgerung: Aufklärung ist totalitär (S. 10-13).

Auf die Nuancen, die sie vor ihrem unmittelbaren Erfahrungshintergrund überschreiben, verweist Henri Lefebvre in seiner Einführung in die Modernität: 12 Präludien (1978). In ihr bezieht er sich nicht allein auf die von Max Weber diagnostizierte "Entzauberung der Welt", sondern auch auf die allmähliche Entfernung vom Universellen und die folgliche Hinwendung zum Speziellen, den Perspektivwechsel vom Kontinuierlichen zum Diskontinuierlichen. Überall entdeckt man [...] distinkte Einheiten: Atome, Partikel, Gene, Elemente der Sprache, Phoneme, Morpheme, usw. - und mit dieser Verschiebung, diesem "Abzug auf Materie" (frei nach Adorno & Horkheimer; s.o.) habe man gleichzeitig auch [...] die Probleme der Stabilität der Gesamtheiten, der Strukturen, Typen, der provisorischen oder dauerhaften Gleichgewichte thematisiert (S. 211).

Die postmoderne Zersplitterung ist also als Vorzeichen in den modernen Probleme[n] der Stabilität der Gesamtheiten bereits angelegt - in der Einsicht, dass [d]as Elend der großen Erzählungen herkömmlicher Machart [...] keineswegs darin [liegt], daß sie zu groß, sondern [...] nicht groß genug waren (Peter Sloterdijk, Im Weltinnenraum des Kapitals, 2006, S. 14).

Daher also die Ausgangsfrage: Darf sich die Postmoderne damit als Aufklärung der Aufklärung verstehen, weil sie ihre Aufstützung auf transzendentale Wahrheiten und Teleologien aufgibt und "einfache Erklärungen" ihren Denkern ein Unding sind?

Alternativ dazu, um die Gefahr des intellektuellen Größenwahns zu meiden: Vielleicht sind die Reden von der "zweiten" und der "reflexiven Moderne" gar nicht so fehlangebracht, wie ich in meiner groben Ablehnung von Beck, Giddens & Co. immer habe denken wollen ... ?