Versprochen, gehalten

Eine kleine Randnotiz: Im Austausch mit Herrn Keuschnig und metepsilonema über die mediale Aufarbeitung politischer Gewissensfragen; mit der Erfahrung des vergangenen Mittwochs im Hinterkopf, der die Verzerrungen vermeintlich faktenständiger Berichterstattung für mich persönlich deutlich gemacht hat – vor diesem Hintergrund beginne ich allmählich all jene Menschen zu verstehen, die eher Werbeprospekte anstelle der Tagespresse lesen: Ihre Angebote sind immerhin verbindlich. Oder hat jemand schon mal erlebt, dass einem die Angestellten im Discounter erklären, die Werbung sei wohl doch ein bisschen schöngeredet, eigentlich gar nicht so gemeint und mit ihrem Gewissen unvereinbar?

Anonym hat gesagt… said:

18. November 2008 um 12:49  

Der Vergleich hinkt nun, denn wie oft hat sich ein Produkt in der Werbung angepriesen als fehlerbehaftet herausgestellt.

Freilich weiss ich vermutlich, was Du meinst. Ich schwanke ja auch zwischen dem vollkommenen Eintauchen in diese abstruse Medienwelt oder dem Ignorieren (es würden eine Menge Bücher warten). Das Internet beantwortet die Frage heute schwieriger als noch vor fünf Jahren.

Willyam hat gesagt… said:

18. November 2008 um 14:11  

:-) Ich weiß, ich weiß, der Vergleich ist flach, öberflächlich sogar. Ich sollte mich mit impulsiven Kommentaren zurückhalten.

Was ich sagen wollte, ist doch: Wenn ich heute im Supermarkt auf der anderen Straßenseite meine Bio-Orangen für 1,59 das Kilo kaufen möchte, weil die Werbung mir Bio-Orangen für 1,59 versprochen hat, bekomme ich die auch für 1,59. Und wenn nicht, gehe ich woanders einkaufen.

Ganz abgesehen davon: "abstrus" ist schon das richtige Wort, wie ich selbst gerade in Bezug auf den Bildungsstreik merke. Da entschwebt alles nach und nach dem Bezug auf Fakten. Und das Internet hilft in der Tat nur zum Teil: Es liefert erste Impulse, auf die man alle weiteren Schritte selbst nachvollziehen muss. Inzwischen aber sehe ich nicht mehr den Konflikt zwischen gemütlicher Lektüre und "vollkommenem Eintauchen". Vielleicht liegt's an meinem zarten Alter, dass ich mich für letzteres entscheide ... Und dass Du seit Jahren schwankst, spricht doch eher für als gegen die Tiefe Deines Engagements, auch wenn es viel Energie kostet, oder bewerte ich das falsch?

Anonym hat gesagt… said:

18. November 2008 um 17:30  

Vielleicht sind die "Bio-Orangen" aber gar nicht "bio"? Oder nur "bio", wie heute eigentlich fast alles "bio" ist. Oder sie kosten inzwischen 1,69?

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Naja, ich tauche nicht so richtig ein. Vieles ermattet mich; ich bin nicht Don Quixote und ich verliere ständig mehr das Interesse an meinem Blog. Kommunikation im Netz, d. h. schriftliche Kommunikation ist sehr schwierig, und zwar aus dem Hauptgrund, weil sie hier so beschleunigt stattfindet. Aber das ist ein anderes Thema. (Auch zum Bildungsstreik sag ich jetzt mal nichts.)

Willyam hat gesagt… said:

19. November 2008 um 10:43  

Doch doch, bitte: ein paar Worte zum Bildungsstreik. :-) Es gibt viel zu wenig medienkritische Stimmen. Ich suche seit dem vergangenen Mittwoch nach etwas distanzierteren Stellungnahmen, finde aber keine. Und fragt man selbst nach - z.B. bei der Pressesprecherin der HU, um um Bestätigung einer Meldung des D-Radio zu bitten - wird man schnippisch behandelt. Meines Erachtens werden entscheidende Details nicht preisgegeben. Und ganz schnell werden aus "detailarmen" "interpretationsoffene", dramatisierte Meldungen, die ohne Bezug zum Geschehenen Veröffentlichung finden.

Anonym hat gesagt… said:

19. November 2008 um 12:32  

Zum Bildungsstreik fällt mir nur so etwas hier ein. Damit kann ich übereinstimmen. Ob und welche Übergriffe es gegeben hat, interessiert mich nicht. Es müsste einem interessieren, um daraus evtl. Strategien von Berichterstattung(en) zu sehen. Aber hier greift dann meine Müdigkeit. Wie soll ich hunderte Kilometer entfernt beurteilen, was geschehen ist. Ich kann nur aufgrund der divergierenden Schilderungen Differenzen feststellen - aber befriedigend ist das nicht.

Ein ganz primitives Beispiel gestern aus der tagesschau. Dort gab es einen Vorbericht auf das heutige Fußball-Länderspiel Deutschland gegen England. Es hiess dort, es sei das "letzte Testspiel" der deutschen Mannschaft in diesem Jahr.

Das stimmt und auch wieder nicht. Denn es ist nicht nur das letzte "Testspiel" (also "Freundschaftsspiel"), sondern auch das letzte Spiel überhaupt in diesem Jahr. Die Information "letztes Testspiel" suggeriert jedoch unter Umständen, dass es noch Qualifikationsspiele (für die WM) geben könnte. Das alles ist natürlich völlig belanglos, weil ich aber zufällig hierzu etwas weiss, fällt es mir auf. Und weil mir das eben zufällig auffällt, schliesse ich auf noch mehr fehlerhafte (oder einfach nur schlampige) Informationen in anderen Bereichen, wo ich vollkommen ahnungslos bin.

(Ich bin gar nicht sicher, ob das hierher gehört.)

Willyam hat gesagt… said:

19. November 2008 um 19:43  

Nun: Wenn ANHs knapper Absatz alles ist, was man zum Thema verlieren kann ... dann: oh je. Damit erschöpfen sich angemessene Bestandsaufnahmen auch nicht. Zumindest meiner Meinung nach.

Wie soll ich hunderte Kilometer entfernt beurteilen, was geschehen ist.
Wenn ich der Berichterstattung folge - und das tue ich ausgiebig -, können das in der Tat auch von den Journalisten, die vor Ort waren, nur einige wenige. Ich kann nur, wie Du schreibst, aufgrund der divergierenden Schilderungen Differenzen feststellen. Sozusagen durch kritische Distanz ausschließen, was nicht passiert ist, oder angebachter: mit Wahrscheinlichkeit nicht passiert sein kann. Und diesem Ausschlussverfahren folgend komme ich unweigerlich zu der Schlussfolgerung, dass nicht nur die Presse, sondern auch HU-Präsident Markschies drastisch übertreiben. Die Frage ist nur: Warum?

Anonym hat gesagt… said:

19. November 2008 um 23:12  

Die "Bestandsaufnahmen" höre ich jahraus - jahrein und erschöpfen sich im wohlfeilem Gerede: Es fehlt an Geld. Das das so nicht stimmt, spielt keine Rolle, weil es für alles gilt und ein prima Stempel ist.

Einen "Bildungsstreik" zu initiieren ist an sich schon einmal ein Widerspruch in sich, aber lassen wir diese Petitesse. Was bleibt ist die Forderung nach Geld. Das ist einfach und tut niemandem weh. Auf die Idee, Bildung zu definieren und wieder als Wert zu definieren und zu implementieren (sie nicht als Sekundärtugend zu denunzieren) kommen nur sehr wenige. Das zu fordern, gilt als elitär. Wer in Blogs in Kommentaren Assoziationen knüpft, bekommt zu hören, man betreibe intellektuelles Geschwafel. Ich fürchte, das sind die gleichen Leute, die ihre Kinder auf solche Demos schicken.

Die Politik, die mit wohlfeiler Rhetorik in Sonntagsreden vom Primat der Bildung schwadroniert, taucht immer dann ab, wenn es ernst wird. Bildung ist "Ländersache", was zuverlässig bedeutet, dass daraus nichts werden kann (man sehe sich die Länder-MPs beispielsweise an). Dafür (oder dagegen) demonstriert niemand. Wie bei ANH einer so schön schreibt: Er hatte schon mal für die Erhaltung des Schüler-Cafés gestreikt. Darum geht's dann irgendwie wohl. Um Schüler-Cafés.

Willyam hat gesagt… said:

21. November 2008 um 23:44  

Auf die Idee, Bildung zu definieren und wieder als Wert zu definieren und zu implementieren (sie nicht als Sekundärtugend zu denunzieren) kommen nur sehr wenige.
Stimmt, stimmt, aber Du weißt doch: Wie viele Verfehlungen wird auch diese abgewälzt. So was ist doch Lehrersache.

Wer in Blogs in Kommentaren Assoziationen knüpft, bekommt zu hören, man betreibe intellektuelles Geschwafel.
Die Parallele erlebt man (auch) in Uniseminaren. Wobei man natürlich auseinanderhalten sollte: Diejenigen, die nur um ihres eigenen Vortrags willen reden, aber nichts sagen, und diejenigen, die ihr Wissen mit dem Gelernten oder gerade Diskutierten verknüpfen. Ich habe dafür irgendwann mal die vage Unterscheidung zwischen "Schlauheit" und "Intelligenz" eingeführt. Der Schlaue erweitert, denkt mal kreuz, mal quer. Der Intelligente dagegen repititititiert nur.

Außer dem Hinweis, dass mit das System gerade von mir verlangt, als Wortbestätigung "facki" einzutippen, fällt mir zur späten Stunde nicht viel mehr zum Thema ein ... :-)