Spiel, Spaß und Spannung

Wie viele Versuche sind wohl gemacht worden, das „Spiel“ zu definieren? Üblicherweise versteht man darunter „eine Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung ausgeführt wird.“ In der Soziologie betrachtet man die Sache indes etwas enger, wie zum Beispiel Michael Meusers jüngst erschienener Artikel „Ernste Spiele. Zur Konstruktion von Männlichkeit im Wettbewerb der Männer“ (in: Die soziale Konstruktion von Männlichkeit. Hegemoniale und marginalisierte Männlichkeiten in Deutschland, Opladen: Buderich, 2008) nachvollzieht: Spaß und Ernst treffen aufeinander, sofern Spaß eine „ernste“, d.h. sozialisierende Funktion zugewiesen wird, von dessen Teilhabe gelungene Identitätsstiftungen abhängen.

Verallgemeinernde Behauptungen: Ist Spiel nicht (auch) Alternative, Ausbruch aus dem status quo und Ablegen eingelebter Rollen? Das „so-tun-als-ob“ als Flucht nach vorne, Projektion von Wünschen, Träumen, Möglichkeiten, Utopien? Jedes auffordernde „stell-Dir-vor ...“: gedacht als hermetischer Freiraum, der, im günstigsten Fall nur zeitlich begrenzt, Entwürfen vorbehalten ist, die der Alltag zwar auslagert, aber doch inspiriert.

Und weil inspiriert und doch ausgelagert, kommt kein Spiel ohne Setzungen aus. Der Ausstieg aus Gegebenheiten ist schärfstens geregelt. Das Spiel bleibt Ausnahme. Man muss es begrenzen, ausgrenzen.

Darüber hinaus: Spiele sind Reduktionen. Insofern Spielen ein Ausleben von Vorstellungen ist, ist es auch ein Ausblenden von Komplexitäten. Selbst regelmäßiges Spiel – von SimCity bis SecondLife – ist nicht in dem Sinne „wirklich“, dass es gelebte Umwelten spiegeln könnte. Wunschtraum minus Realität = Spiel.

Schnitt. Das Spiel als Vorstellung aufgegriffen und die gerade genannte Formel in eine erkenntnistheoretische Perspektive eingespannt: Wenn Spiel = Reduktion oder Modell – gilt dann nicht: Spiel = Modell = Theorie? Und damit: Theorie als Spiel? Bedienen sich das vorgestellte „so-tun-als-ob“, die Aufforderung zum „stell-Dir-vor ...“ und ein „gesetzt, dass ...“, mit dem die Bedingungen einer theoretischen Überlegung formuliert werden, nicht derselben Sprache?

Mark hat gesagt… said:

12. November 2008 um 20:47  

Auf Deine abschließende Frage würden Hardcore-Ludologen wahrscheinlich mit Ja antworten. Und so auf die Schnelle mag mir auch kein Gegenargument einfallen.

Anonym hat gesagt… said:

13. November 2008 um 00:19  

"Stell-Dir-vor" ich bin einmal berühmt, oder "gesetzt, dass" ich Kinder haben werde ... so lässt sich auch das Leben selbst denken, als reduziertes, ernstes Spiel, als Verwirklichung von begrenzten Möglichkeiten.

Willyam hat gesagt… said:

13. November 2008 um 17:41  

... und genau deshalb hoffe ich ja auch, dass ich hier über die ein oder andere Schnittstelle zwischen Ludo- und Philologie hingewiesen werde ... :-)

Willyam hat gesagt… said:

13. November 2008 um 19:33  

Obwohl ich doch, metepsilonema, Deinen Vergleich einschränken möchte: Das Leben ist kein Spiel - wenn Du es von diesem oder diesem Standpunkt aus betrachtest. Ansonsten landest Du unmittelbar inmitten all dem postmodernen Quatsch, den verkopfte Akademiker so gern von sich geben ...

Anonym hat gesagt… said:

15. November 2008 um 15:44  

Ja, natürlich. Wobei ich das eher persönlich, und begrenzt verstehen möchte: Gewisse Abschnitte des Lebens sind es tatsächlich - und manch schwere Stunde vielleicht erträglicher, wenn die Dinge mit Leichtigkeit (spielerisch, eben) betrachtet werden. So man das will.