Klingt vielversprechend, der Titel: Beyond Postmodern Politics: Lyotard, Rorty, Foucault (Routledge, 1994). Aber Honi Fern Habers Arbeit enttäuscht, und das um Längen. Nach drei Kapiteln zu den politischen Potenzialen und Grenzen poststrukturalistischen und postmodernen Denkens bleibt ihr Fazit genau den Paradigmen verhaftet, die sie zu überwinden versucht. Das Subjekt bleibt ein sprachliches, narratives Konstrukt, das erst, oder besser: allein in sozialen, diffe/ärenziellen Räumen entsteht.
Aber Schritt für Schritt, weniger überstürzt, an ein paar Auszügen aus dem abschließenden Kapitel „Evaluating ‚Post-Philosophies’“ nachvollzogen: Fern Haber plädiert zurecht für mehr Vorsicht. Mit ihrem Plädoyer, dass “the law of difference need not imply the universalization of difference“ (118), trifft sie meines Erachtens die entscheidende, lähmende Tendenz postmoderner, poststrukturalistischer Ansätze. Ihr Gegenvorschlag: “Borrowing from the poststructuralist account of difference, I suggest we accept the idea that all structure is temporary and even artificial, and is always open to the possibility of being redescribed. However, […] I nevertheless insist […] that any viable political theory necessitates structure – in particular it necessitates the need for the generation of subjects (or what I call ‘subjects-in-community’, suggesting that there are no autonomous or non-plural subjects) and communities – even if these are themselves plural, internally inconsistent, open ended, and always amendable to deconstruction” (114). Der Gedanke, den Weg eines pragmatischen Kompromisses zu gehen, scheint konsequent – nicht zuletzt deshalb, weil Sprache in ihrer Eigenschaft als Kommunikationsmedium uns diese Pragmatik aufdrängt: “One cannot at the same time speak differently and speak coherently” (124).
Schade, dass Fern Haber diesen Gedanken nicht weiter ausgearbeitet hat: Die Pragmatik der Argumentation ist es, die wenigstens ein Grundverstehen zweier Parteien möglich macht. Es ist dieses notgedrungen Diachrone des Denkens, die der Sprache innerliche Zeitlichkeit, der wir im gemeinschaftlichen Austausch unterworfen bleiben. Ohne uns dessen ausdrücklich bewusst zu sein, generieren die Sprechenden in jedem Dialog, genauer: im Verlauf eines jeden Dialogs vorläufige Strukturen, einen situativen „Dritten Ort“ (Bhabha). Die Frage ist daher nur eine nach dem Abbau der vermeintlich essentiellen, wesentlichen Erstarrung, mit der wir diese Dialektik(en) belegen: “The lesson to be learned from poststructuralism is that the logic of difference reveals the artificiality of any and all closure (structure)” (127).
Vielleicht gelingt es mir, diese Überlegungen für das brauchbar zu machen, was ich in einem verspielten Moment als Textonik angedacht habe. Die wichtigere Frage aber für jetzt: Was macht Fern Haber aus dieser Einsicht? Aus der Konzeption ihres „Subjektes-in-Gemeinschaft“, also einem Subjekt, das nicht isoliert, autonom und selbstbestimmt agiert, sondern erst in seiner multiplen Vergemeinschaftung zu einer Vielfalt von (auch widersprüchlichen) Ausdrücken findet, leitet sie im Umkehrschluss ab: Insofern uns jede Gemeinschaft ein Vokabular, eine Sprache zur Verfügung stellt, ist es erst die Annahme und der Gebrauch einer dieser vielfältigen Sprachen, die uns eine Distanzierung und Loslösung von großen, umfassenden Strukturen, oder auch: Erzählungen, ermöglichen. “[… I]t is only as a member of some community or other that we are empowered. […] Empowerment is made possible […] by realizing the extent to which we are never simply the member of a single community. In identifying ourselves as members also of marginalized communities we find the tools, i.e. the images and the vocabularies, with which we can imagine a world other than the one suited to the interests of bourgeois liberalism. [… T]he recognition that each one of us is radically plural makes alternative discourses an open possibility (121).”
Daraus folgt: Wer ein eigenes Narrativ zu formulieren imstande ist, wer sich strategisch verständigen und vorläufige Strukturen etablieren kann, verstärkt sein emanzipatorisches Potenzial. “The hope is that these newly heard voices will become available as tools for shaping new ways of thinking about ourselves and our relation to others and the world and will become useful as tools for the implementation of new ways of being and acting” (129).
Ja, die Hoffnung, diese realitätsentrückte Hoffnung. Der Kreis, den sie damit zu schließen glaubt, zerplatzt als akademische Seifenblase. Den Postmodernen und Poststrukturalisten scheint es nicht möglich, ihr abstrahiertes Paradigma Sprache für die akute Realität erlittener Konflikte brauchbar zu machen. Die Frage, die die Grenzen dieses Ansatzes deutlich macht, ist trivial: Was, wenn ein Dialog gar nicht möglich ist? Eine Pluralität der Identitäten setzt eine Freiheit voraus, die über den Rückgriff auf sprachliche Narrativen hinaus grundlegende physische, menschliche Freiheiten gesichert sehen muss. Viel zu vielen Schicksalen auf der Welt muss dieser sprachlichen Emanzipation noch eine physische Emanzipation, die Garantie körperlicher Unversehrtheit vorausgehen. Und selbst wenn dieser Schritt getan ist, bleibt offen, was diese Pluralität der Identitäten für Gemeinschaften bedeutet, die sich vordergründig anderer Sozialstrategien bedienen als der des vermeintlich selbstverständlichen „Subjekts“.
Solche Arbeiten verwundern mich inzwischen nicht mehr nur, nein: sie verunsichern mich grundlegend in Bezug auf meine „Karriereabsichten“. In Momenten solcher Lektüren drängt sich mir immer stärker die Frage auf, ob ich mich wirklich auf solche professionalisierten Diskussionen einlassen möchte, und ob ich nicht außerhalb der Akademie Nachhaltigeres leiste.
Rede ohne Wirkung
at 9.5.08 Posted under Denkschubladen: die Postmoderne: historisiert, Wissenschaftstheorie
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