Ungemütlich ...

... ist der Gedanke, der mir im Zuge der Kenianischen Politrätselei bewusst geworden ist. Könnte es sein, dass Demokratie der Forderung nach ultimativer Repräsentanz nur bedingt nachkommen kann, ja: ihrer Stabilität halber sogar nur bedingt nachkommen darf bzw. muss?

Als These formuliert: Je repräsentativer das politische System, desto gebrechlicher seine Machtbasis. Je partikularer die Interessen des demos durch seine Vertretung vertreten werden, desto ohnmächtiger zwangsläufig die mit der Regierung des demos Beauftragten. Natürlich, wird man entgegenhalten dürfen - daher ja auch die Fünf-Prozent-Klausel, die ihre historische Berechtigung durch die Erfahrungen der Weimarer Zeit hat. Ihr Ziel [...] ist es, der Zersplitterung der Volksvertretungen durch kleine und Kleinstparteien und den damit verbundenen internen Konflikten entgegenzuwirken.

Die gegen ihre Rechtsgrundlage hervorgebrachten Einwände aber wiegen meines Erachtens nach schwer: Wenn [...] nicht jede Minderheit gleich behandelt wird, widerspricht [das] dem demokratischen Grundgedanken, dass jede Minderheit sich demokratisch beteiligen darf und jede Stimme den gleichen Wert haben soll. Wer, beispielsweise, vertritt eigentlich über generalisierte Migrantenfragen hinaus die Belange Nicht-Deutscher Minderheiten ohne Wahlrecht; wer die türkisch-stämmige Minderheit? Und wer die in Deutschland lebenden Europäer?

Lösungen auf die Schnelle? Es gibt die Möglichkeit für Regelungen, mit denen sowohl das Ziel der Stimmenkonzentration als auch das Ziel der Widerspiegelung des Wählerwillens annähernd erreicht würde. Zum Beispiel könnte der Wähler durch die Angabe einer oder mehrerer Alternativstimmen festlegen, welche Partei seine Stimme bekommen soll, falls die von ihm bevorzugte Partei an der Sperrklausel scheitert (Stimmweitergabe-Option). Dies würde den Wählerwillen besser widerspiegeln und jede Stimme annähernd zum gleichen Erfolgswert führen.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Parteien die Möglichkeit erhalten, vor der Wahl (z.B. auf Parteitagen) durch einen Beschluss festzulegen, welcher anderen Partei ihre Stimmen zufallen sollen, falls ein eigener Einzug ins Parlament an der Sperrklausel scheitert. Eine Festlegung vor der Wahl ist dabei sinnvoll, da damit ein schnelles und klares Wahlergebnis erreicht wird und eine „Versteigerung“ von „freien“ Stimmen vermieden werden kann.


Alles in Allem: Sehr ungemütlich, dieser anhaltende Mangel an demokratischer Vision. Wäre es denn darüber hinaus nicht denkbar, bestimmten Interessensfraktionen, die innerhalb der Bevölkerung einen gewissen Zuspruch erleben, ihre (zugestanden: vielleicht nur marginale, aber dennoch selbstverständliche) parlamentarische Vertretung zuzusichern? So dass ich beruhigt wüsste, gewisse Anliegen seien zumindest mit einer halbwegs parteipolitischen Unabhängigkeit vertreten?

Was mir vorschwebt, sind nicht fünf Sitze für "Ein Herz für Tiere", sondern ein kleines demokratisches Fenster für parteiextern nominierte Ausländerbeauftragte, außerparlamentarische Expertenstimmen usw. (Und könnte man damit - naive Frage - unter Umständen nicht sogar der Undurchsichtigkeit lobbyierender Gruppierungen begegnen?)