Kenianisches Politrätsel

Ich sitze gerade grübelnd an meinen Ideen für einen Bewerbungsessay. Die Bundeszentrale für Politische Bildung finanziert mit ihrer Studienreise Go Africa ... Go Germany 2008 ein Programm, das mich brennender nicht interessieren könnte. Allerdings muten mir die Essaythemen ein wenig absurd an. Unter den drei Aufgabenstellungen kann ich allein der ersten etwas abgewinnen:

In Kenia wurde 1991 das Mehrparteiengesetz wieder eingeführt. Ein Parteiengesetz ist im Entwurfsstadium. Seit 1991 ist eine vielfältige Parteienlandschaft entstanden, wobei die Regierungspartei – die National Alliance of Rainbow Coalition Kenya (NARC-K; offiziell ohne den Zusatz Kenia) ein Zusammenschluss von 15 ehemaligen Oppositionsparteien mittlerweile gespalten ist. Die Parteizugehörigkeit und das Wahlverhalten in Kenia werden zu einem großen Anteil von der Zugehörigkeit zu bestimmten Ethnien bestimmt, die sich jeweils in einer eigenen Partei repräsentiert sehen wollen. Die Identifikation der Parteien über alternative politische Konzepte steht dahinter zurück. Damit weicht die Parteienkonzeption in Kenia von den Anforderungen an politische Parteien nach dem Parteiengesetz in Deutschland ab. Für die Ende Dezember 2007 stattfindenden Wahlen haben sich über 100 Parteien registrieren lassen.

a) Weshalb bedarf es in funktionierenden Demokratien einer Parteienpluralität? Ist es als zwingende Voraussetzung der Parteienpluralität anzusehen, dass sich die Parteien nach weltanschaulichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Programmen voneinander abgrenzen oder kann sie ethnisch motiviert sein?
b) Beschreiben Sie die Vor- und Nachteile von politischen Koalitionen in Deutschland und in Kenia.
c) Welche Formen politischer Beteiligung könnten geeignet sein, dem Rückgang politischer Partizipation in Deutschland zu begegnen und eine ethnisch polarisierende Entwicklung in Kenia zu vermeiden?


Nein - der Eindruck des Absurden lässt sich in meinen Augen nicht mehr umkehren. Wie kommt man auf den ernsthaften Gedanken, die deutsche mit der kenianischen Parteienlandschaft vergleichen zu wollen? Auf der Basis eines Parteiengesetzes? Der leise Entschluss, den ich daher gerade gefasst habe: Ich will die von mir verlangten sechs Tausend Zeichen dafür nutzen, mit Geduld und Beharren die Unmöglichkeit eines solchen Vergleichsversuchs aufzuzeigen. Wie man bescheiden in Anlehnung an Walter Benjamin formulieren darf: Der Vergleich mag seinem Anschein nach sinnvoll wirken, "[...]die Sphäre seiner Anwendung [muß] nach ihrem [praktischen] Wert kritisiert werden" (Benjamin, Kritik der Gewalt, S. 33). Mit anderen Worten: Es sollte eher gelten, der Frage nachzugehen, warum sich die kenianische Parteienlandschaft vor allem ethnisch ausgestaltet, anstatt mit der belanglosen Feststellung aufzuwarten, dass sie sich anders ausgestaltet. Es gilt, die konkreten Bedürfnisse und Interessen hinter dieser Ausgestaltung zu befragen, die scheinbar so grundlegend von den unseren "abweichen".

Mehr dazu im Verlauf der kommenden beiden Tage - Einsendeschluss ist nämlich der erste März.