Schreiben und Lesen

Je nachdem, wie ich sie betone, meine Worte; je nachdem, welchen Ton ich mit ihnen treffe, das heißt: wie ich sie also (be)stimme und vertone, ist „um-schreiben“ = neu schreiben, anders schreiben, übersetzen, Übertragung; nicht nur umkreisen, Annäherung, vorsichtiges hermeneutisches Arretieren. (Um-)Schreiben ist Vermeidungsstrategie, die schwerwiegende Verluste verhindern soll.

Gilt das nicht erst recht für das Lesen? „Um-lesen“ = nicht nur neu lesen, erneut entdecken, hervorholen, klarstellen, sondern umschichten, herumlavorieren und –laborieren. Eine Berührung, Anschluss suchen. Schreibender und Lesender suchen dasselbe: Gehör, den jeweils anderen.

Doch: bleibt es nicht bei der Andeutung, beim Anklang, einer Finte der Kommunikation? Literatur erschafft keine Beziehungen, ist nicht Verbindung zweier Welten, sondern nur y = f(x0) + f’(x0) x (x - x0): leise Tangente. Noch einmal, gewiß, aber für mich ist noch einmal stets ein neues Mal, auf jedesmal ganz neue Weise, nochmals stets ein erstes Mal, einmal mehr und ein für alle Mal das erste Mal. Nicht ein einziges Mal immer, sondern sondern ein für alle Mal das erste Mal, wie Derrida es "einmal" "festgehalten" hat.