Das Subjekt in Philosphie und Alltag

[...] Wenn das Subjekt eine Konstruktion ist, dann handelt es sich [...] um eine sehr tief gelegte und überaus wirkungsmächtige Konstruktion. Das philosophische Dementi allein vermag [allerdings] nahezu nichts (oder bleibt kokett), solange die Sprache Subjekte den Objekten gegenüberstellt und solange die Arbeit einerseits notwendig und an das Schema des Instrumentellen gleichzeitig gebunden bleibt. Wir haben nicht die Wahl, ob wir Subjekt sein wollen. Die philosophische Demontage des Subjektbegriffs mag den berechtigten Zweifel spiegeln, ob in einer zunehmend vermittelten Welt die Verhältnisse ein Handeln im Sinne übersichtlicher Kausalketten überhaupt zulassen, ob die/der Einzelne frei ist, die Ziele seines Handelns in eigener Machtvollkommenheit zu bestimmen, und ob sie/er die eigene Position am Kopf der Kausalkette genießen kann. Im Generellen, außerhalb der Philosophie, denke ich, haben wir nicht die Wahl.

So schreibt er, der großartige Hartmut Winkler, in seinem Aufsatz "Nicht handeln. Versuch einer Wiederaufwertung des couch potato angesichts der Provokation des interaktiv Digitalen". Meine Schlussfolgerung: Konzentration auf den Versuch einer Entdifferenzierung von Kopf- und Handarbeit. Erste Schritte in diese Richtung haben, darauf bin ich in einem Friedrichshainer Antiquariat gestoßen, Gernot Böhme und Michael von Engelhardt in ihrem Suhrkamp-Band Entfremdete Wissenschaft (1979) unternommen. Die Suche nach Anschlussarbeiten läuft ...

... und unterdessen heißt es weiter bei Winkler:

Vielleicht, dies ist mein Ausgangspunkt, ist Aktivität nicht grundsätzlich "besser" als Passivität; vielleicht lohnt es, sich von den kurzschlüssig politischen Konnotationen zu losen, die mit diesen Begriffen verbunden sind: der Objektstatus mit der Rolle des Passiv-Rezeptiven, und der Status des potentiell politisch Handelnden mit der Position des Subjekts.

Vielleicht, dies ist mein Eindruck, ein Ausgangspunkt, den man durchaus als Aufforderung begreifen und mit-denken, durch-denken sollte ...

mspro hat gesagt… said:

13. Oktober 2007 um 15:14  

Oder man geht das ganze von der anderen Seite her an: So wie man nicht nicht kommunizieren kann, kann man auch nicht nicht handeln. Insofern wäre Passivität eine Form der Aktivität.

Jenseits der, m.e. eh unpassenden besser/schlechter Dichotomie wäre noch das Grundparadigma der doppelten Kontingenz zu bedenken, wie es Luhmann definiert hat.

Entschieden sich Alter und Ego beide und auf Dauer für das passive "Geschehenlassen", wäre Kommunikation, wäre Gesellschaft überhaupt nicht möglich.

Willyam hat gesagt… said:

22. Oktober 2007 um 00:37  

Sicherlich, dass Passivität auch Aktivität bedeuten, sein kann, gebe ich Dir recht - unter dem entschiedenen Vorbehalt, dass dieses Passivsein auch gewollt sein muss. Wie es Leo Allmann neuerdings festgehalten hat:

Wollen ist ein Ausschließen von Möglichkeiten, um bestimmte Möglichkeiten zu bevorzugen - das lässt an ein Wählen denken. Wollen ist ein Entschiedensein. [...Z]ur persönlichen Entschiedenheit [gehört] die existenzielle Entschlossenheit im Sinne des freien Willens. Nur unter dieser Voraussetzung ist an ein Wohl auch nur zu denken [http://philosophieblog.de/allmann/2007/10/19/wahl].

Fehlt diese "aktive", bewusste, gewollte, in meinem Sinne: "aufklärende" Auseinandersetzung, bleiben wir dem Stand der Dinge verhaftet: In der Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins "Stern" sagten mehr als 60 Prozent der Befragten, sie seien mit der Arbeit der Parteien weniger oder überhaupt nicht zufrieden. Nur ein Viertel äußerte sich zufrieden. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,511903,00.html.