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„Nation Branding“, aufgefrischt

Ich tue den Studierten der Philosophie vermutlich keine allzu grobe Gewalt an, wenn ich die Weisheit, jeder Trend provoziere einen Gegentrend, als sozial-marktwirtschaftliche Vergegenwärtigung der Dialektik Hegels auffasse. Wenn aber eine grundlegende Dissonanz durch die Masse der Draufsichten auf die abendländische Geschichte sowohl von Seiten der Marktforscher als auch der Historiker vernehmbar ist, dann wird es zweifelsohne die sein, dass wir gegensätzlich zu Hegels Prognose auf die nur selten in ihrer vollen Macht begreifbaren Umwälzungen unserer Zeiten mit mehr als nur einer Gegenstrategie reagieren. Der Dreisprung „These-Antithese-Synthese“ gilt als disqualifiziert. Beispiel Globalisierung: Auch wenn wir die Auflösung des Regionalen im Supranationalen in der Regel mit konternden Nationalismen in Verbindung setzen, kennen wir doch auch schwächere, fast sogar subtilere Variante spätmoderner Identitätsstiftung: das sogenannte „Nation Branding“, zum Beispiel. Den marktwirtschaftlichen Mechanismen der Globalisierung und dem Trend, für den der Politologe Michael Zürn den Begriff der „Denationalisierung“ geprägt hat, begegnet der Nationalstaat mit dem Versuch einer Standortaufwertung, die das eigene „Profil“ schärfen soll. Globalisierung beschleunigt den Prozeß gesellschaftlicher Denationalisierung und vermindert so die Regierungsfähigkeit der (National-)Staaten. Um Steuerungspotential zurückzugewinnen, „errichten Nationalstaaten internationale Institutionen und passen damit die Gültigkeitsreichweite politischer Regelungen den Grenzen sozialer Handlungszusammenhänge an.“ Aus der Perspektive des Marktes aufgefasst: "Heute kann sich ein Land als Firma betrachten, deren Produktpalette die Bereiche Export, Investitionen, Tourismus, Kultur, Regierungsform und Menschen umfaßt." (Peter Robejsek, Direktor Haus Rissen, Hamburg).

Dass es schon seit 2005 einen entsprechend peinlichen Index gibt, der über den Erfolg solcher strategischen „Firmenkommunikation“ Aufschluss geben möchte; dass Begriff und Strategie nicht neu sind und sich eng an die sogenannte „Public Diplomacy“ anlehnen; ob solche Branding-Versuche überhaupt fruchten – das alles soll gerade nur am Rande interessieren. Sarah Brouillette hatte am Rande ihres Vortrags in Regensburg die Frage angedeutet, ob die internen Richtwerte dieses Felds nicht gerade überworfen werden: Anstelle eines mehr oder weniger eindeutig kategorisierbaren Bildes (ganz unbeholfen nach der Klischeeschablone gegriffen: „die Franzosen“ = savoir vivre; „die Deutschen“ = Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung usw. usf.) konkurrieren die großen Industrienationen mehr und mehr um das Label positiv ausgewiesener Vielfalt. Und die ist natürlich kultureller Natur: Nein, nicht die Briten sind die multiethnischsten, tolerantesten, dynamischsten, buntesten – das sind wir, wir Deutschen. Denn bei uns ist jeder Deutschland. Ganz genau: Du bist Deutschland. Und Du auch. Und Du erst.

Spannender Doppeleffekt also: Zunächst preist der Nationalstaat seinen kulturellen Facettenreichtum an und verliert nicht, sondern im Gegenteil: gewinnt an internationaler Kontur. Man grenzt sich mit seiner Offenheit nach Außen ab. Grenzenlos sind nur wir. Damit aber übersteigert man den Anspruch auf Multikulti zum einzigen Wertschöpfungsfokus. Wenn alle darum wetteifern, die Vielfältigsten, Buntesten, Offensten zu sein, entleert sich gerade dieser Wert seines grundlegenden Sinns: Die angepriesene, „postmoderne“ Vielfalt droht gleichzeitig damit, das Ende aller Unterschiede vorwegzunehmen.

Kenianisches Politrätsel - Nachtrag

Isch 'abe ferrtig. Im eingereichten Essay habe ich zwar von der Polemik der vergangenen Posts entfernt, am grundsätzlichen Argument aber doch entschieden festgehalten. Einzig einen Nachtrag wollten ich anfügen. Dieser berührt nicht so sehr den Essay als vielmehr meine allgemeine Absage an die quantitativ-vergleichenden Methoden, deren sich die Politikwissenschaften für ihre innig verehrten Indices bedienen. Ich halte daran fest, dass man in der selbstgefälligen Überzeugung an die vermeintlich objektive Sprache der Zahlen Unvergleichbares vergleichbar macht. Meines Erachtens gibt es da nichts zu verteidigen. Um so konsternierter durfte ich nun lesen, wie der gute Spiegelfechter, der, wenn mich mein Eindruck nicht vollkommen täuscht, ja einige Anerkennung genießt, just so eine subjektive Verteidigung vornimmt: Für ihn ist die entscheidende Frage offenbar nur die, wer hinter und für die Qualität der Datenerhebung steht. Dass er es sich so einfach macht ...