In den Höllenschlund der BWL?

Was haben postmoderne Kulturwissenschaften und BWL gemein? Eben - nicht das geringte. Postmoderne Theorien unterliegen einer doppeldeutigen "Disziplinierung", die zu ihrer hermetischen Selbstbegrenzung einerseits, zu ihrer Professionalisierung und Konsolidierung mit dem universitären Fächerkanon andererseits, geführt hat. Folge dessen ist, dass wir als Kulturwissenschaftler nie in die heutige akademische BWL gegangen sind, um ganz konkret ihr Denken, ihre Logik, ihre Sprache zu hinterfragen, obwohl sie doch eines der offensichtlichen "Machtzentren" dessen ist, was wir beharrlich kritisieren: "die" Wirtschaft, "die" Globalisierung etc. pp. Natürlich: gelegentlich plaudern Menschen wie der ehemalige Weltbank-Chef Joseph Steglitz aus dem Nähkästchen (siehe sein Globalization and its Discontents) und werden dankbar in den Reihen der Kapitalismuskritiker aufgegriffen. Doch ihren Verurteilungen haftet nur zu oft das Pauschale an. Nicht, dass The Shock Doctrine schlecht recheriert wäre, aber ähnlich wie Michael Moore verfolgt auch sie ein sehr konkretes Programm, das zwischen den Zeilen nachlesen bzw. mit den Bildern abgespult werden kann. Ihre vorgefertigte Meinung scheint mit jedem erneuten Auftritt in der Öffentlichkeit nur neu verpackt, nett umformuliert, durch neue Recherchen bestätigt.

Ich möchte nicht missverstanden werden: Die Beweislast, die beide vorlegen, ist schockierend; macht mich allerdings im gleichen Zug wütend und zynisch. Sie verhärtet die Fronten und verschärft meine Ablehnung, nicht mein Verständnis. Sie untergräbt den Kern einer jeden "guten" Kritik - den mühseligen, offenen Dialog, der nicht zur reinen Anklageschrift, zum rhetorischen Monolog abstumpfen darf. Offene Kritik zeigt mehr auf als die kausalen Zusammenhänge, sondern unterstreicht ihre Ernsthaftigkeit durch den Versuch, die entscheidenden Sachverhalte auch zu erklären. Sie zeigt nicht nur den Bösewicht an, sondern führt auch die Diskurse ein, in denen er verankert ist.

Unter Umständen bin ich also mit den Wirtschaftsstrukturen, den Entscheidungswegen vertraut, verstehe aber nach wie vor wenig von der inneren Logik des modernen Kapitals. Die Kritik an den Exzessen der Wirtschaft muss daher tiefer ansetzen - eben in der BWL selbst. Wenn ich zum Beispiel im Rahmen des TSF mit jungen Wirtschaftwissenschaftlern diskutiere, darf ich mir immer wieder mit dem Brustton vollster Überzeugung sagen lassen, dass Zahlen Objektiv sind. Dass Zahlen und Modelle Sprache sind, implizit also bereits Macht vermitteln, habe ich noch niemandem aufzeigen können.

Worauf diese aus Sicht kulturwissenschaftlicher Perspektive konsequente Unerreichbarkeit der BWL beruht, vermag ich nicht festzustellen; intuitiv klammere ich mich aber an meine vor kurzem gemachte Entdeckung - Bertrand Russells Aufteilung der Wissenschaften in ein technisches und ein geistiges Lager (in: Die Naturwissenschaftliche Geselleschaft, 1931, S. 181): "Die Wissenschaft als geistige Macht ist skeptisch und wirkt etwas destruktiv auf den sozialen Zusammenhalt, während sie als technische Macht genau die entgegensetzten Eigenschaften besitzt. Die technischen Entwicklungen, die den Naturwissenschaften zu verdanken sind, erhöhten Größe und Wirkungsbereich der Organisationsformen und vermehrten insbesondere die Macht der Regierungen."

Die Analogie gefällt mir: Man kann die postmodern angehauchten Zweige der Kulturwissenschaften als "geistige", "destruktive" Kritiker verstehen, die die Autorität eines "technischen", d.h.: machtkonsolidierenden Marktwirtschaftsapparats gefährden. Nur: Um tatsächlich als Kritiker ihren Wirkungsbereich entfaltenzu können, müssen sie eben die Grenze zwischen "geistigem" und "technischem" Lager anvisieren.

Ein Ausbau dieses Bezugs auf Russell (vielleicht) beizeiten, denn auch ohne historische Begründung bleibt der Kern meines Plädoyers erhalten: Die Kulturwissenschaften müssen sich mit der BWL auseinandersetzen, wollen sie mit ihrer Kritik an den Entwicklungen des 21. Jahrhunderts ernsthaft angenommen werden.

Woher diese plötzliche Forderung? Der Schock, der mich nicht allzu langer Zeit ereilt hat, ist nicht der, dass wir nach wie vor über mögliche Lösungen kultureller Probleme zwischen "entwickelter" und "sich entwickelnder" Welt, zwischen Nord und Süd, dem Westen und dem Rest diskutieren; der Schock rührt aus der Einsicht, dass die Konkurrenz nicht so tief und fest geschlafen hat, wie mich der selbstgefällige Gestus der Kulturwissenschaften hat bisher glauben lassen. Denn vor kurzem durfte ich in einem Seminar lernen, dass die Marketingexperten in der BWL aufgewacht sind. Foucault, Derrida, postmoderne Identitätskonstruktion - das alles wird gerade in den Martketing-Fachbereichen aufgekocht, um veraltete Patentrezepte und Warenkreislaufanalysen in die Gegenwart zu holen. Freilich nicht aus Gutmenschentum, nicht, um um Gerechtigkeit und Gleichheit und Demokratie zu ringen, sondern um die Profitabilität zu erhöhen. Die Postmoderne: endgültig enthistorisiert und zum Konsumtrend degradiert. Passende Andeutung liefert das Trendbüro mit seiner Beschwörung des "Karmakapitalismus". Identitätskonstruktion wird Konsumentenkonstruktion.

Setzt sich diese Entwicklung, diese Vereinnahmung fort, sehe ich - radikal gesprochen - folgendes Problem, das in sich bereits ein Potential zur Krise birgt: die postmoderne Kulturwissenschaft hat sich selbst überholt bzw. überholen lassen. Sie hat sich offenbar innerhalb ihres eigenen "Mainstreams" nie selbst hinterfragt und ist akademische "Lebenswelt" geworden. Sie wiederspricht sich damit von Grund auf selbst, denn sie hat sich nie selbst dekonstruiert/konstruieren wollen/können. Anstatt ihre Grenzen beständig zu verlagern, hat sie sie nur gefestigt - innerhalb der Kulturwissenschaften. Als "geistige Macht" hat sie sich im Ansatz nie den "technischen Mächten" genähert, sogar: diese Annäherung niemals in Erwägung gezogen. Ihrer scheinbar bevorstehenden Vereinnahmung durch die BWL geht ihre Vereinnahmung durch sich, ihre Voreingenommenheit mit sich selbst, ihr Solipsismus, voran.

Wenn schon die Institutionen, die wir kritisieren, in der Lage sind, unsere "Waffen" gegen uns zu richten, könnte man von hier aus gar die Qualität bzw. die grundlegende Existenz der Postmoderne an sich anzweifeln. Spekulation: Vielleicht ist sie Übergangsstadium, weder Moderne noch wirkliche Nach-Moderne, sondern eine ansatzweise selbstreflexive Moderne, eine Metamoderne - "Moderne 2.0", wenn man so wollte (insbesondere sobald sie aus der Perspektive der Wirtschaft so wahrgenommen werden wird). Der Begriff allein ist bereits eine Metonymie, mit der niemand weiß, was eigentlich bezeichnet werden soll/will; ihre Diskurse sind so elitebezogen, dass man nur selten außerhalb der Feuilletonseiten von "der postmodernen Gesellschaft" spricht.

Wie einer meiner Dozenten meinte: "Viele Ansätze waren vor 15 Jahren sehr originell, nun woll wir sehen, ob jemandem noch Neues einfällt oder ob wir noch 20 Jahre die immer gleichen Schlagworte nachreden werden." Ich bin begeistert und fühle mich zugleich hilflos gegenüber dieser vorläufigen Grenze, an die ich gestoßen zu sein scheine. Die Verschlossenheit, diese "Disziplinierung" und Professionalisierung zu umgehen, das Feld auszudehnen - das allein scheint mir im Moment noch sinnvoll. Vielleicht finden wir hier neue Schlagworte, neue Argumente, neue Handlungsimpulse?

Edelanarchismus - Historisierung der Postmoderne

"Wie die Postmoderne beschreiben?" ist ja weitaus mehr als eine einfache Frage nach dem Kern dieser unbestimmbaren Denkbewegung - sie verweist im Grunde einmal mehr auf das im Kern bestehende Problem der Kluft zwischen Wort und Tat, Denken und Handeln hin: Ein Beantwortungsversuch, der beschreibt, was oder wie man postmoderne Diskurse denkt, beleuchetet noch lange nicht, wie man in ihnen handelt. Vielleicht beleuchtet er gerade das: dass man in ihnen nicht handelt. Edelanarchisten möchte ich daher die vielen Beteiligten (einschließlich meiner selbst) fast nennen, und die Beleidigung ist gar nicht so überbemessen. Man predigt politisches Bewusstsein, erklärt sich der Komplexität der Welt gegenüber aber vorschnell schachmatt. Man will ja das erkannte Unrecht - wenn es denn überhaupt jemals eindeutig Unrecht ist - nicht noch weiter schüren.

Diese Denkschule zu historisieren, ist einen Versuch wert. Eine Stammbaumrecherche powered by google deckt die Verwandtschaft mit großen Vorbildern auf. Selbstgefällig könnte man da beispielsweise aus Bertrand Russells Das naturwissenschaftliche Zeitalter (1931) zitieren. Er schreibt dort über den "idealistischen Tatmenschen", der sich "[...] von dem Mann mit persönlichem Ehrgeiz dadurch [unterscheidet] daß er nicht bloß für sich bestimmte Dinge wünscht, sondern auch eine bestimmte Gesellschaft." Doch Vorsicht! - mit seinen Worten kann ich mich nur dann anfreunden, wenn ich nicht allzu streng nach dem Tatmenschen in mir frage. Denn: "Die meisten Idealisten stellen eine Mischung zweier Typen dar, des Träumers und des Tatmenschen. Der reine Träumer ist ein Narr, der reine Tatmensch strebt nur nach persönlicher Macht, der Idealist jedoch lebt in einem Zwischenraum zwischen diesen beiden Extremen. [... D]er Tatmensch fühlt sich stark genug, eine neue [Welt] zu erschaffen, während sich der Träumer gehemmt fühlt und in das Reich der Phantasie flüchtet" (S. 200-201). Folgt man Russell, wären der Großteil der postmodernen Denker nichts als intellektuelle Tagträumer: sie halten sich für Idealisten, entpuppen sich alsbald aber als handlungsgehemmte Weltflüchtlinge. Als Skeptiker halten sie an ihrem Glauben an die Wissenschaft als "geistige Macht" fest, während es die Macher sind - diejenigen, die die Wissenschaft als "technische Macht" verstehen (S. 181) - die Russell zufolge die wissenschaftliche Gesellschaft formen werden.

In ihrem Passivismus erinnern sie neben Russells idealistischem Träumer allerdings an ein weitaus zwiespältigeres Vorbild: den Antihelden der Décadence-Literatur Jean des Esseintes, den Joris-Karl Huysmans in Gegen den Strich (1884) entwirft. Ja - ich halte die Postmoderne für dekadent. Für dei Aufgabe, die parallelen Dimensionen aufzuzeigen, reicht meine derzeitige Aufmerksamkeit nicht; daher nur eine kurze, gedankenanregende Einführung.

Der Begriff "Décadence" spricht über den reinen Verweis auf eine bestimmte Literaturgattung hinaus "ein umfassendes Lebensgefühl, eine besondere Daseinsform" [1] an. Auf welcher Basis sie ihre Position entwickelt, macht der soziale und politische Rückblick auf die letzten Jahrzehnte vor der Jahrhundertwende deutlich: Man hört von einer "Zeit der inneren Widersprüche" in "einer vom atemberaubenden Fortschritt erschütterten Welt", die alsbald ein "Nebeneinander von befürchtetem Ende und erhofftem Neuanfang" aufwirft [2]. Die Ursachen dieser Entwicklungen mögen vielseitig sein, die seitens der Décadents aufgesuchten Begründungen bleiben jedoch stets dieselben: "Ein epigonal wirkender [...] Imperator, eine sich durch die erste industrielle Revolution in immer stärkerem Tempo zivilisierende Gesellschaft, die Geld- und Genußgier der Herrschenden und Besitzenden [...]" [3] bilden die zentral wiederkehrenden Ansatzpunkte in den Analysen zur Lage der "opportunistische[n] Republik" [4]. Doch der Eindruck, den die Lektüre Huysmans prägt, ist tiefer verwurzelt. Er geht weit über einen fehlenden Fortschrittsenthusiasmus oder mangelnden Zukunftsoptimismus hinaus und lässt sich in beispielhaften Zitaten wie dem folgenden ablesen:

Und dann war der zerrüttete Adel zugrunde gegangen, die Aristokratie war in Schwachsinn oder Unflat umgekippt. Sie erlosch im geistigen Verfall ihrer Nachkommen, deren Fähigkeiten mit jeder Generation abnahmen und zu Gorillainstinkten verkamen, gärend in Schädeln von Stallknechten und Jockeys; oder sie wälzte sich wie die Choiseul-Praslin, die Polognac, die Chevreuse im Schmutz von Prozessen, die sie den anderen Klassen an Schändlichkeit ebenbürtig werden ließ. [...] Die am wenigsten Gewissenhaften, die am wenigsten Stumpfen streiften jegliche Scham ab; sie versumpften im Lotterleben, wirbelten den Schlamm der Affären auf, erschienen wie gemeine Gauner vor der Hebung der menschlichen Gerechtigkeit, die, außerstande, sich stets ihrer Parteilichkeit zu begeben, sie schließlich zu Bibliothekaren in den Zuchthäusern ernannte. (Gegen den Strich, S. 243-244).

Das "Dekadente" dieses Auszugs liegt nicht nur, wie man meinen kann, in dem zutiefst verschmähendem, beleidigendem Ton, in der verächtlichen, radikalen Ablehnung und Aburteilung der grundlegenden Verschiebungen, deren Zeuge er ist; "dekadent" ist seine durch Rousseau geprägte Sichtweise, diese Umwälzungen, die das Frankreich des späten 19. Jahrhunderts erfasst haben, als unwiderlegbare Anzeichen eines mehr oder weniger unmittelbar bevorstehenden gesellschaftlichen Verfalls zu deuten. Versteckt in der Art und Weise, wie er über seine Zeit reflektieren, spricht er zugleich auch seine tiefe Betroffenheit über diese altvertraute, im Kern jedoch bereits verloren geglaubte Ordnung aus. Gemeinsam mit einer "[...] ganze[n] Generation von Künstlern und Schriftstellern [... leidet er] über ein kleinliches Gesellschafts- und Zeitgemäkel hinaus an einem rational nur schwer zu erfassenden Ennui, Spleen, melancholischen Sinn [...]" [5]. Die Verständniskluft zwischen dieser "verlorenen Generation", die "[...] zum Umgang mit kollidierenden Lebenswelten verdammt" [6] ist, und einer euphorisch gestimmten Gesellschaftsmehrheit droht sich um so mehr zu vertiefen, desto radikaler die Décadents ihre Minderheitsperspektive formulieren. Huysmans "[...] haßt [alsbald] seine Epoche, haßt das 19. Jahrhundert, das ihm banal, oberflächlich, amerikanistisch und vor allem vulgär und materialistisch erscheint" [7]. Berührungspunkte mit der sich schrittweise demokratisierenden und kommerzialisierenden Gesellschaft scheinen inexistent: Gerade die Demokratisierung vieler Lebens- und Schaffensbereiche, insbesondere der Kunst, lehnen die ‚dekadenten’ Künstler und Schriftsteller entschieden ab – nicht prinzipiell, sondern weil man "[d]as Unbehagen, ja [... den] Ekel an der selbstgefälligen Bourgeoisie-Kultur, an diesen ‚Orgien der Mittelmäßigkeit und Saturnalien der Dummheit’" [8] unerträglich glaubt und zu meiden sucht.


... Na - wer fühlt sich angesprochen? ...





[1] Anne Amend-Söchting, Ichkulte: Formen gebündelter Subjektivität im französischen Fin-de-siècle-Roman, Heidelberg: Winter, 2001, S. 24.
[2] Amend-Söchting, S. 22-23.
[3] Erwin Koppen, Dekadenter Wagnerismus: Studien zur europäischen Literatur des Fin de siècle, Berlin, New York: de Gruyter, 1973, S. 19.
[4] Amend-Söchting, S. 32-35.
[5] Maria Moog-Grünewald, "Kunst, Kunstkritik und Romanschaffen", in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Bonn: Bouvier, Bd. 31/2 (1986), S. 246-263., hier: S. 256-257.
[6] Amend-Söchting, S. 20.
[7] Moog-Grünewald, S. 253.
[8] Ebd.; siehe auch Koppen, S. 39, der seine Position ähnlich formuliert.

Privilegierte Perspektive

Irritierend ist er ja für mich, der Herr Friedman. Die Welt verflacht also, behauptet er mit seinem neuen Bestseller, The World is Flat. Womit er keinesfalls seicht, auf Englisch: "shallow", gemeint wissen will. Ich habe ihn ja bereits in einem früheren Post mit folgenden Worten zitiert:

I always say, in this globalization system there is just one road; […] and it’s the road, I believe, of free markets, of liberalized markets, and liberalized politics. But there are many speeds […]. There’s one road, and there’s many speeds. But promise me you just won’t do one thing – not go down the road at all. If you do that, I promise you, you’ll bring nothing but ruin and devastation to your people. [1]

Diesen belehrenden Ton hat er nach wie vor nicht abgelegt, im Gegenteil: wohl eher verstärkt. Da sich inzwischen vereinzelte Inseln kartographieren lassen, auf denen die Bewegung, die Europa und Nordamerika mit dem Begriff Globalisierung zu fassen versuchen, Wurzeln gefasst hat, predigt er mit noch wortgewaltigerer Vehemenz von der Notwendigkeit des "gemeinsamen" Wegs - Kapital global. Wobei er stets nur von einer sehr eingeschränkten "Gemeinsamkeit" spricht - der des wirtschaftsliberalen Wettbewerbs. Geteiltes Wirtschaftssystem, aber kein geteiltes Leid. Sein polarisierendes Patentrezept: Man lausche wiederum den Patentrezepten des International Monetary Fund und der Weltbank. Hört man auf Naomi Klein und den Human Rights Watch, gehört man gleich in den albernen Karnevalszug der "Gegner". You're either with us, or against us, will er damit wohl deutlich machen.

Seiner militanten Aufteilung verleiht er in seinem Buch neuen Ausdruck und macht den (in seinen Augen wohl) ernsthaften Versuch, den Begriff der "Dritten Welt" auszurangieren. Die Globalisierung, bitte sehr, hierarchisiert anders: Fortan gibt es nach seinen Worten "nur noch" schnelle und langsame Regionen, "fast and slow worlds". 



Ich höre Jens Riwa und Anne Will schon von Hungerkatastrophen in der langsamen Welt berichten.

Ich kann den Eindruck nicht leugnen: Trotz seiner ausführlichen Auslandsreisen scheint mir Herr Friedman mit seiner Perspektive fest im schnellen Amerika verhaftet geblieben zu sein. Da die Welt dort für ihn flach ist, fehlt es ihm an Weitsicht. Und so verwundert es kaum, dass seine Bestandsaufnahme wenig Tiefgründigkeit vermittelt - die horizontale Kurzsicht scheint offenbar sehr vielversprechende Perspektiven zu eröffnen. Es lebe der Liberalismus; wir Schnellen können ihn uns ja leisten.


Links: Tom Friedman bei den New York Times


[1] “Terrorism May Have Put Sand in its Gears, but Globalization Won’t Stop.” Tom Friedman, interviewed by Nayan Chanda, YaleGlobal, February 3rd, 2003, http://yaleglobal.yale.edu/display.article?id=870.